Wenn Mönche aus den Klöstern würzen

Natalie Tenbergs Gastro- und Gesellschaftskritik: Das vietnamesische Restaurant Si An in Prenzlauer Berg ist auf den Punkt durchgestylt

Noch vor einigen Jahren waren die meisten vietnamesischen Restaurants in Berlin hässliche Klitschen. Der Geschmack des vietnamesischen Essens war eben so überzeugend, dass es den Gästen nichts ausmachte, inmitten furchtbarsten Folkloreschrotts zu sitzen.

Dann aber eröffnete ein gewisser Monsieur Vuong in Mitte sein stylishes Restaurant und wurde mit einer immer guten Minimalkarte schnell zu einem Szenerestaurant; auch für das Lonely-Planet-Proletariat. Seither ist klar, dass die optisch anspruchslose Zeit vorbei ist, auch wenn das auf Kosten der Authentizität geht.

Das Si An in Prenzlauer Berg ist einerseits eine Einschränkung dieser Entwicklung, da hier versucht wird, zur ursprünglichen Küche zurückzukehren. Angeblich besuchen regelmäßig Mönche das Si An, um die aus Klöstern stammenden Gerichte abzuschmecken. Andererseits findet die Entwicklung im Si An auch ihre Weiterführung, weil es wenige Lokale gibt, die so auf den Punkt durchgestylt wurden.

Schon vor dem Si An fängt das Konzept an. Das Beet um den Baum vor der Tür ist mit sanften Moos bewachsen. Bambus bewegt sich im Wind, kleine Lampen beleuchten diese Oase. Im Si An hängen fast mehr Lampen, als es im Palast der Republik gab. Weiße Lampions erhellen den modern gehaltenen Raum. Niedrige Tische, Schemel und Bänke stehen eng an eng, an ihnen sitzt eine bunte Menschenschar. Berliner, Holländer, Amerikaner. Schicke, Alternative. Tief dekolletierte Frauen neben Jeans-und-T-Shirt-Mädchen. Nur eins sind die Gäste nicht: so alt, dass sie es mit Rücken zu tun bekommen, sobald sie länger ohne Lehne sitzen müssen.

Das Essen wird im Si An in der halboffenen Küche zubereitet. Die Sommerrolle überzeugt so sehr, dass man sich fragt, was man in den vielen traurigen Jahren gemacht hat, als einem dieses Gericht noch unbekannt war. Das Kim Chi, Pak Choi mit Knoblauch und Chili schmeckt so scharf, dass die Hauptspeisen dagegen etwas verblassen – trotz Wartezeit und Zitronengrastee. Mag ja sein, dass die für das Abschmecken zuständigen Mönche etwas gegen Salz, Soja- oder Fischsauce haben. Diese religiös aufgeladene Küche kann einen kurzzeitig etwas verprellen – die guten Wan Tans schwimmen in einer Brühe, die etwas mehr Salz vertragen könnte. Abgerundeter ist da die Pho Ga, eine Nudelsuppe mit Huhn.

Fazit: Das Si An ist allein wegen der Sommerrollen und der vielen liebvollen Einrichtungsdetails einen Besuch wert. Solange man nicht in großer Runde mit Uroma unterwegs ist.

RESTAURANT SI AN, Rykestr. 36, 10405 Berlin, (0 30) 40 50 57 75, www.sian-berlin.de, tägl. 12–24 Uhr, U Eberswalder, Zitronengrastee € 2,80, Sommerrolle € 3,80, Wan Tan Suppe € 6,60