„Fakt ist: Sie liebt ihn“

Schauspielerin Claudia Michelsen (39) über den Fernsehfilm „12 heißt: Ich liebe dich“ (20.15 Uhr, ARD), die Kritik daran und ihre eigene Stasiakte

taz: Frau Michelsen, was dachten Sie, als Sie zum ersten Mal vom Plot des Films „12 heißt: Ich liebe dich“ gehört haben?

Claudia Michelsen: Oh Gott, Pilcher im Stasimilieu!

Das Drehbuch basiert auf einer wahren Geschichte …

… und war zum Glück ganz anders, als ich befürchtet hatte: komplett schnörkellos und überhaupt nicht kitschig.

Wie nah an den Tatsachen ist denn der Film?

Wie nah er an den Tatsachen ist, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass er ganz nah an dem gleichnamigen Buch ist, das Regina und Uwe Karlstedt über ihre Geschichte geschrieben haben. Die Drehbuchautorin Scarlett Kleint hat das Buch mit den beiden zusammen entwickelt und immer wieder besprochen.

Haben Sie nachvollziehen können, warum sich die beiden ineinander verliebt haben? Damit lässt der Film den Zuschauer ein wenig allein.

Aber es gibt doch keine allgemein gültige Formel dafür, wie Liebe sichtbar gemacht werden sollte. Fakt ist: Sie liebt ihn – was auch immer, wodurch auch immer. Beide leben zusammen, ziemlich glücklich sogar, und versuchen ihre Geschichte aufzuarbeiten. Hut ab!

Sie haben die Karlstedts auch getroffen, oder?

Ja, aber nur einmal in großer Runde von zehn, zwölf Leuten. Wir saßen den beiden an einem langen Tisch gegenüber. Und so ergaben sich dann auch hauptsächlich Zweiergespräche. Devid hat mit ihm gesprochen, und ich habe ihr alle meine Fragen gestellt, zum Beispiel über ihre Haftzeit, die im Film weitgehend ausgeklammert wird.

Gab es nicht das Bedürfnis, sich noch einmal in Ruhe unter acht Augen zu treffen?

Doch, zuerst schon, aber dann waren wir schon zu tief in dem Prozess drin, in dem wir aus der Geschichte der Karlstedts endlich unsere eigene machen mussten. Da hätte uns ein Treffen nur wieder rausgerissen.

Opferverbände sehen durch den Film Stasiverbrechen verharmlost. Warum?

Ich glaube, aus einer Angst heraus, dass die Macht des Systems, unter dem diese Menschen gelitten haben, verweichlicht werden könnte. Und weil darin ein Stasioffizier als Mensch dargestellt wird. Ich verstehe diese Angst. Der Film will aber in keinster Weise verharmlosen. Ich hoffe sehr, dass Stasiopfer sich trotzdem dem Film und seiner Geschichte öffnen können. Auch meinen Umgang mit alten Positionierungen hat die Geschichte der beiden ins Wanken gebracht. Ich glaube, wir brauchen eine neue Form von Sensibilität, was den Umgang mit der jüngeren deutschen Geschichte betrifft.

Hatten Sie selbst mit der Stasi zu tun?

Natürlich wurde ich auch bespitzelt, an der Schauspielschule und später am Theater, und hatte Freunde, die arbeitslos wurden, weil sie einen Ausreiseantrag gestellt hatten oder sogar in Bautzen einsaßen. Und kaum war ich 18, wollten sie mich dann auch für die Partei werben.

Haben Sie Ihre Stasiakte angefordert?

Nein. Ich weiß, wer mich bespitzelt hat. Das reicht mir.

Warum?

Weil ich keine wirkliche Notwendigkeit sehe. Es wäre was anderes, wenn ich unter der Stasi gelitten hätte. Aber unter diesen Umständen ist es mir lieber, manche Dinge gar nicht so genau zu wissen. Auf den großen Aha-Effekt kann ich gut verzichten.

Derzeit hat die Berliner Zeitung mit der Stasivergangenheit einiger Mitarbeiter zu kämpfen.

Das bestätigt nur, dass uns dieses Thema noch lange beschäftigen wird. Wer weiß schon, wie viele Leute noch Dreck am Stecken haben und unerkannt unter uns leben!

Was soll die Berliner Zeitung nun tun?

Aufklären natürlich. Aber Sie sehen, auch da kommen wir wieder in die Positionen von Richtern und Gerichteten. Ich wünsche den Menschen in den entsprechenden Positionen die Fähigkeit, damit gut umzugehen.INTERVIEW: DAVID DENK

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