Die Gymnasiums-Kröte

Anders als die Gymnasialschulleiter begrüßen die Leiter der Gesamtschulen die sechsjährige Grundschule. Primarschulen an Gymnasien dürfe es aber nicht geben: „Das vergiftet die Reform“

VON KAIJA KUTTER

Kritik an den schwarz-grünen Schulplänen, etwa vom Gymnasialschulleiterverband, findet in diesen Tagen große mediale Beachtung, während Stellungnahmen der Unterstützer meist untergehen. Als recht bedeutsame Gruppe haben sich jetzt die Schulleiter der Gesamtschulen zu Wort gemeldet. „Wir begrüßen die Verlängerung des gemeinsamen Lernens aller Schülerinnen und Schüler auf sechs beziehungsweise sieben Jahre“, heißt es in einer Stellungnahme, die bis auf drei Ausnahmen die Leiter aller 37 Hamburger Gesamtschulen unterstützen. Damit könne die frühe Selektion hinausgeschoben und „ein Beitrag zur Chancengleichheit geleistet werden“.

Ganz ähnlich hatte sich wenige Tage zuvor der Hamburger Grundschulverband geäußert und darauf hingewiesen, dass Schulstudien zufolge die Grundschulen in Deutschland die erfolgreichste Arbeit leisten. Und auch Experten, die eigentlich für das Zwei-Säulen-Modell ab Klasse vier stritten, wie zum Beispiel der Hamburger Erziehungswissenschaftler Reiner Lehberger, äußern sich inzwischen positiv und sprechen von „Risiken und Chancen“ einer längeren Grundschulzeit.

Dass die Euphorie dennoch gebremst ist, hat einen Grund. Vielen Fachleuten ist vor allem ein vorab bekannt gewordenes Detail aus dem Koalitionsvertrag unheimlich. So soll es bekanntlich auch Grundschulen geben, die schon ab Klasse eins oder ab Klasse vier räumlich an Gymnasien angesiedelt sind.

Eine Aussicht, die das Hamburger Abendblatt bereits dazu verleitete, Eltern zu raten, ihr Kind an einer solchen Schule anzumelden, wenn sie eine Gymnasialkarriere wünschen.

„Das ist ein Detail, das die Reform vergiftet und konterkariert“, sagt Frieder Bachteler von der Sprechergruppe der Gesamtschulleiter. „Wenn die GAL darauf hereinfällt, verliert sie massenhaft Unterstützung.“ So halten denn auch die Schulleiter in ihrer Erklärung eine Teilung der neuen Grundschule in zwei Lernstufen null bis drei und vier bis sechs „inhaltlich und pädagogisch“ für sinnvoll. Sie lehnen aber eine „Anbindung an die Gymnasien“ strikt ab.

„Das wird dazu führen, dass ein Run auf bestimmte Primarschulen einsetzt“, warnt Bachteler. Die ohnehin schon bestehende soziale Entmischung werde verstärkt. Etwas anderes sei es, so Bachteler, wenn Grundschulen an die künftigen Stadtteilschulen angegliedert seien, weil die dann ja im Anschluss alle Bildungswege offen hielten.

Noch schärfer formulierte es gestern die Gemeinnützige Gesellschaft für Gesamtschule, kurz GGG. „Primarschule ja – aber nicht so“, schreibt der Verband in einer Stellungnahme und hebt außerdem hervor, dass das Ziel des längeren gemeinsamen Lernens einzig dann erreicht werde, „wenn die Primarschulen gleichwertig sind und von Eltern auch so eingeschätzt werden“.

Aus dem Umfeld von GAL und CDU ist zu erfahren, dass die Primarschule am Gymnasium eher die Ausnahme sein soll. Auch würden diese Schulen eine eigene Leitung bekommen und müssten, sollte es mehr Anmeldungen als Plätze geben, nach dem Wohnortprinzip die Kinder aufnehmen, die den kürzesten Schulweg haben.

Die Koalitionäre in spe haben also ein Problem. Solange die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind, können sie ihre Schulpläne nicht offensiv verteidigen. Das wird sich nach der Veröffentlichung des Koalitionsvertrages wohl ändern.