WERBEPAUSE

Der Mensch ist Jäger und Sammler. Immer noch. Lässt sich halt nicht mal eben formatieren, so ein genetisches Programm. In Zeiten des fortgeschrittenen Kapitalismus hat sich die Sammelleidenschaft von Homo sapiens in der Bonuskarte manifestiert. Damit kann man im Supermarkt und an der Tankstelle Punkte sammeln und dafür beizeiten Prämien einheimsen – die wohlverdiente Belohnung für eine anstrengende Shoppingtour. So funktioniert sie, unsere Jagdgesellschaft des 21. Jahrhunderts. PR-Strategen wissen natürlich schon lange um das Jäger-und-Sammler-Gen. Ihr neuestes Machwerk: Die DeutschlandCard vom Bertelsmannkonzern, mit der man seit Anfang März 2008 bei Edeka, der Deutschen Bank, der Reisebürokette L’Tur, Porta-Einrichtungshäusern und dem Pharmagroßhändler GEHE Schnäppchen jagen kann. Als wäre der zusätzliche Portemonnaie-Ballast nach den bereits existierenden Bonusprogrammen Payback und HappyDigits nicht schon schlimm genug, setzt der zugehörige Werbespot noch eins drauf: Eine weibliche, leicht verrotzte, aber schwer sympathische Stimme singt Lyrics, die entweder die grenzdebile Einfallslosigkeit der verantwortlichen Werbeagentur Vasata Schröder offenbart oder die der Band – Tonpiloten –, die den musikalischen Part verbrochen hat. Wie bewirbt man eine Bonuskarte, die den Namen DeutschlandCard trägt? Genau: mit idyllischen Bildern aus dem Land der Dichter und Denker! „Von uns gibt’s 80 Millionen, wir sind ’ne Fußballnation, egal ob arm oder reich, von den Alpen bis zum Deich.“ Zu Bildern von Bier trinkenden Bayern, dekorativen Gartenzwergen und hysterischen Teenies in Umkleidekabinen wird versucht, die ach so große Vielfalt Deutschlands darzustellen: „Wir sind multikulturell, wir sagen ciao und wir sagen gell.“ Als zusätzliches Indiz für die deutsche Offenheit bekommen eventuell zuschauende Germania-Unkundige die Info, dass man in der Bundesrepublik neben Currywürsten auch Döner essen kann (nein, Punkte gibt’s dafür bisher noch nicht – man muss es mit der Völkerfreundschaft ja auch nicht übertreiben). Ein Hinweis auf die musikalischen Vorlieben der Krauts dürfte der Marke Deutschland wohl besonders abträglich sein: „Wir hören Bach und wir hören Bohlen.“ Hätte Bohlen den Text zum Spot geschrieben, wäre die ganze Kampagne immerhin fast schon wieder lustig oder wenigstens unfreiwillig komisch gewesen. So aber bringt der Spot in erster Linie das spätestens seit der Fußball-WM 2006 offiziell legitimierte, aber nach wie vor recht verzweifelte Bedürfnis zum Ausdruck, endlich wieder wer zu sein: „Wir sind sexy und schön, wir sind schlau und keine Deppen.“Letzteres muss man nach der Rezeption des Werbespots leider stark bezweifeln. NJ