Auge um Auge, Wort für Wort

„Veränderungs-Therapie“ für Homosexuelle als „Umpolen“ bezeichnet: Wegen seiner Berichterstattung über das Evangelikalen-Treffen „Christival“ ergeht eine einstweilige Verfügung gegen einen Bremer Journalisten

Die Anmeldefrist ist zwar abgelaufen, und Dauerkarten sind laut den Veranstaltern auch nur 15.000 verkauft worden. Dennoch rechnet der Verein damit, kommende Woche 20.000 BesucherInnen zum evangelikalen Jugend-Treffen „Christival“ nach Bremen zu locken. Diese Zielmarke bleibe realistisch, sagt Christival-Sprecher Steffen Volke auf Nachfrage: Die Differenz werde durch Tagesbesucher ausgeglichen. Entsprechend sei auch die Kalkulation nicht gefährdet.

Christival finanziert sich zur Hälfte durch Teilnehmerbeiträge, fast zehn Prozent steuert mit 250.000 Euro die Bundesregierung bei, unwesentlich weniger die Evangelische Kirche Deutschlands. Teuer zu stehen kommen soll hingegen nach dem Willen des Vereins „Wüstenstrom“ einen Bremer Journalisten seine Berichterstattung über die Vorbereitungen auf das „Glaubensfest“: Wegen eines Beitrags in der Hannoverschen Allgemeinen hat man gegen ihn eine einstweilige Verfügung vor dem Landgericht Frankfurt durchgesetzt – „wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung“, heißt es im Gerichtsbeschluss. Bei Zuwiderhandlung droht ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro. Das sei allerdings „eine übliche Summe“, sagt ein Gerichtssprecher. „Das wird nicht automatisch in dieser Höhe fällig.“

Wüstenstrom war als Anbieter eines Christival-Seminars in den Blick geraten: Der Verein beschreibt Homosexualität als durch einen „Seelsorge- und Therapieprozess“ veränderbar – und kennzeichnet diese Veränderung als wünschenswert: „Am Ende der Beratung“, heißt es in einem auf der Vereins-Homepage vorgestellten Fallgeschichte, spüre der Proband Ralf: „Je mehr er sich in seinem Körper zu Hause fühlt, desto mehr nehmen seine homosexuellen Gefühle ab.“ Der beklagte Bremer Journalist hatte das „umpolen“ genannt – eine Metapher, die der Verein für ehrenrührig hält.

In Bremen bietet die Organisation nun eine Unterrichtseinheit zum Thema „Jungen als Opfer sexuellen Missbrauchs“ an. Obgleich dem Grünen-Abgeordneten Josef Winkler zufolge Wüstenstrom die Ansicht vertritt, sexueller Missbrauch führe zur Entwicklung von homosexuellen Neigungen, kündigte die Bundesregierung an, nicht zu intervenieren. Schließlich stehe bei dem fraglichen Angebot „offenkundig nicht das Thema Homosexualität im Vordergrund“, sagt Staatssekretär Hermann Kues. Ihm zufolge hatte Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU), Schirmherrin des Christivals, zuvor das Seminar „Homosexualität verstehen – Chance auf Veränderung“ unterbunden: Es hätte „Homosexualität aus einer besonders wissenschaftsfernen Sicht“ behandelt. Dem Christival-Vorsitzenden Roland Werner zufolge setzten allerdings die Anbieter den Termin ab – „nicht aufgrund öffentlichen Drucks“, sondern „von sich aus aus internen Gründen“. BES