Ein Gigant kehrt zurück

René Block ist eine Legende: Für die Edition Block hat er in den Sechziger- und Siebzigerjahren Multiples von Beuys, Vostell, Polke und vielen anderen produziert. Jetzt ist er gleich mit zwei neuen Projekten in die Heidestraße eingezogen

VON THIBAUT DE RUYTER

Wer sich ernsthaft mit Kunst beschäftigt, besucht jedes Jahr mindestens 300 Ausstellungen. Inmitten der zahlreichen Eröffnungen, Messen und Biennalen ist es manchmal schwer, seinen Überdruss zu verbergen. Belohnt wird die Mühe jedoch, wenn man sich in einer Galerie wiederfindet, in der man sich wie zu Hause fühlt. Die Nachricht, dass René Block in Berlin wieder eine Galerie und ein Kunstzentrum eröffnen würde, ließ auf einen solchen Moment hoffen.

René Block ist schon lange eine Legende: Für die Edition Block hat er in den Sechziger- und Siebzigerjahren Multiples von Joseph Beuys, Wolf Vostell, Sigmar Polke, Imi Knoebel, Tomas Schmit, Arthur Köpcke oder K. H. Hödicke produziert. 1974 war er waghalsig genug, eine temporäre Galerie in New York zu gründen, in der Beuys seine legendäre Performance „I like America and America likes me“ (oft einfach „Coyote“ genannt) realisierte. Danach war Block in mehreren Institutionen beschäftig, als Kurator von vier Biennalen (Hamburg, Sydney, Istanbul, Cetinje) und acht Jahre als Direktor des Museum Fridericianum in Kassel, wo er die besten Ausstellungen mit Kunst aus dem Balkan zeigte, als die ganze Welt dieses neue Kunst-Eldorado entdeckte: die Balkan-Trilogie mit „In den Schluchten des Balkan“ 2003, „In den Städten des Balkan“ 2003 und Ausstellungen von Mangelos, Marjetica Potrc und Jasmila Zbanic 2004.

Als er vor mehr als einem Jahr, fast gleichzeitig mit dem Ablaufen seines Vertrages in Kassel, zufällig eine Fabriketage in Berlin sah, war ihm sofort klar, wie es weitergehen sollte, sagt er im Gespräch: eine Galerie mit einem angehängten Kunstraum für türkische Kunst. Die neuen Räume von René Block in der Heidestraße (dem hippen Berliner Kunstszenetreff, seit Haunch of Venison dort eine Galerie im Ausmaß eines Kunstvereins aufmachte) sind riesig, aber ohne Größenwahn zu versprühen. Zwei Projekte teilen sich die Fläche im ersten Geschoss: die Edition Block und Tanas. Die Edition Block zeigt Multiples, die in den letzten 40 Jahren produziert wurden. Block selbst ist dort nur Berater. Ein junges Team, geleitet von Annika Werner, hat das Vergnügen, fast vergessene Arbeiten ausgraben zu dürfen und neu produzierte Drucke, z. B. von Sejla Kameric aufzuhängen (das bekannte Selbstportrait der schönen Künstlerin ist mit dem Graffiti eines unbekannten niederländischen UNO-Soldaten in Srebrenica beschrieben: „No teeth …? A Mustache …? Smel like shit …? Bosnian Girl!“

So findet man fast museale Zeugnisse westdeutscher Kunst der 70er, die durch die Idee der Edition mit Werken jüngerer Künstler verknüpft werden. Einige Arbeiten wurden damals in preiswerter Serie produziert, etwa die Studententapete von Vostell, die auf der Straße verkauft wurde, eine Rolle mit Pressebildern der Demonstration gegen den Schah in Berlin 1967.

Aber der 66-Jährige gehört heute nicht nur zur Geschichte der Kunst, sondern gestaltet sie immer noch mit. Deswegen hat er jetzt mit Ömer Koç in der Heidestraße auch ein Kunstzentrum für türkische Kunst mit dem Namen Tanas gegründet. Für ihn ist die Situation klar: „Es gibt weder eine Förderung für türkische Künstler im Ausland (wie das Institut für Auslandsbeziehungen oder das Goethe-Institut für Deutsche), noch Sammlungen oder Kataloge.“ Deswegen hat er begonnen, mit einem Verlag zu arbeiten, und produziert nun Monografien mit Editionen. Seine Verbindung mit der Türkei ist während seiner Istanbul-Biennale 1995 entstanden. Die erste Ausstellung bei Tanas, die Installation Küba aus dem Jahr 2004/2005 von Kutlug Ataman, ist schlicht, prägnant und überzeugend. Eine Menge Fernseher, die Interviews mit Leuten zeigen, sind auf einer Menge von Tischen mit einer Menge unterschiedlicher Sessel im Raum verteilt. Die Gespräche sind lang genug, um eine persönliche Geschichte zu erzählen, aber sie suhlen sich – wie so oft bei „sozial engagierten“ Kunstwerken – hier nicht in fremdem Elend. Wer sich wirklich auf sein Gegenüber einlassen kann, produziert am Ende auch ein ehrliches und legitimes Dokument.

Bei Tanas soll viel passieren: Einzelausstellungen mit türkischen Künstlern oder von jungen türkischen Kuratoren produzierte internationale Ausstellungen, „damit wir hier kein Ghetto bauen“, wie René Block sagt. Die Edition Block wird manchmal auch die gesamte Fläche benutzen, sodass sowohl wiederentdeckte Kunstwerke aus dem Archiv als auch neu produzierte Editionen gezeigt werden können. All jene, die zu viele Ausstellungen sehen, seien gewarnt: Sie könnten sich hier zuhause fühlen.

Edition Block/Tanas, Heidestraße 50, Di.–So. 11–18 Uhr