Sonnenbrillen tragen nach Sonnenuntergang

Heraus kommt ein schönes neues Album: Seit zwölf Jahren jagen Mondo Fumator das Material der Popgeschichte durch ihre alten Sampler

Es gibt Bands, die haben ein paar gute Ideen, schreiben gar nicht mal so schlechte Songs und können sogar spielen, aus denen wird trotzdem nie was. Das muss nicht immer so bleiben, manchmal zeigt sich das Schicksal gnädig und schenkt seine Gunst plötzlich überraschend, zum Beispiel? Den Beatsteaks.

Mondo Fumatore aber warten nun schon seit zwölf Jahren, dass sich der Blick der Popgötter nach Kreuzberg verirren möge. Das wird allerdings wohl, ist zu befürchten, auch anlässlich des neuen Albums „The Hand“ nicht geschehen. Was schade ist, und auch ein bisschen ungerecht von diesen doofen Göttern: Denn das Duo werkelt nun schon so lange tapfer an seiner ganz eigenen Idee von Popmusik und schlägt sich mit Brotjobs durchs Leben, dass es sich endlich ein wenig mehr Anerkennung verdient hätte als nur den zweifelhaften Ruf als Lokalhelden.

Der allerdings ist gefestigt. Ihr letztes Album von 2003 kürte die hauptstadtstolze Programmzeitschrift Tip, kaum erschienen, zur besten Berliner Platte des Jahres. Das war auch verdient: Auch nach fünf Jahren Pause klaubt immer noch niemand so hemmungslos die coolsten Versatzstücke aus der Rockgeschichte, jagt sie durch schrottreife Sampler und schraubt sie dann so geschickt wieder zu Songs zusammen wie der gebürtige Italiener Mondomarc und seine Partnerin Gwendolin. Die teilen sich Gesang und Gitarre, drehen an den Knöpfchen, gehen stramm auf die 40 zu und haben sich nun mal wieder einen Schlagzeuger zugelegt. O.Love von den verblichenen Hip Young Things trommelt auf „The Hand“, sein westfälischer Kumpel Christopher Uhe, genannt Krite, der früher mal hinter Sharon Stoned stand, hat produziert und der legendäre Dinosaur-Jr.-Chef J.Mascis ein Gitarren-Solo beigesteuert.

Alle zusammen kolportieren fröhlich Klischees. Von der Velvet-Underground-Coolness über Synthie-Pop-Piepsen und Handclapping-Seligkeit bis zu Breitwandgitarren mit Rückkopplungspotenzial ist allerhand bis alles im Angebot. Zwischen Indie-Pop und Electro-Clash regiert der Eklektizismus. „The Man With The Twisted Hand“ kombiniert einen knallig-billigen Beatbox-Rhythmus mit einem Gitarrenriff, das in einer Garage im amerikanischen Mittelwesten vor ungefähr 43 Jahren liegen geblieben sein muss. Da die Welt mittlerweile angekommen ist in der Postpostmoderne, wirkt ein solches Verfahren zwar einerseits hoffnungslos retrospektiv, ist andererseits aber auch ganz schön modisch. Nicht nur wenn man diesen Song hört, fragt man sich allerdings unweigerlich, warum The Kills die Titelseiten aller Musikmagazine zieren, Mondo Fumatore aber nur die Theke ihrer Stammkneipe.

Marc und Gwen ist’s egal, die machen einfach weiter. Es wird zitiert und geklaut, exzerpiert und extrapoliert und sich durch die Geschichte gewühlt, aber was bleibt einem schon anderes übrig? Mein Güte, der Name dieser Band spielt auf blutige Trash-Filme aus den Sechzigerjahren an und Songs nennen sie selbstbewusst „Yeah, Yeah, Yeah“. Die beiden singen davon, wie es ist, in einem Mülleimer geboren worden zu sein, und wundern sich, wenn andere ihre Zeit mit Kalorienzählen und Brustvergrößerungen verbringen. Man kann es auch kürzer sagen: Das ist, so avanciert und verspielt und spinnerig er auch manchmal daherkommt, vor allem doch halt Rock ’n’ Roll.

Rock ’n’ Roll wie in „Trotzdem noch rauchen“, wie in „Sonnenbrillen tragen nach Sonnenuntergang“ oder wie in „Ich kann’s vielleicht nicht erklären, aber ich weiß, was richtig ist“. Rock ’n’ Roll eben, auch wenn das fast noch schwerer zu ergründen ist als die Wege, nach denen die eine Band groß rauskommt und die andere auf ewig Mondo Fumatore bleibt.

THOMAS WINKLER

Mondo Fumatore: „The Hand“ (Rewika/Alive). Record Release Party (mit dem Schlauen Fil) am 18. 5. im West Germany und noch mal am 4. 6. im Lido mit Britta und Ja, Panik