Benedikt bestärkt UNO

Papst ruft vor Generalversammlung zum Schutz der Menschenrechte auf. Zuvor traf er sich mit Opfern priesterlichen Kindesmissbrauchs in den USA

AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF

Am letzten Tag seiner US-Reise hat Papst Benedikt XVI. am Freitag vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York die Universalität der Menschenrechte und ihren besseren Schutz gefordert. Anlässlich des 60. Jahrestages der Erklärung der Menschenrechte warnte der Papst vor jeder Relativierung und Einschränkung – ohne freilich konkret zu benennen, gegen wen er sich wandte. Vor voll besetztem Parkett betonte der Papst, der seine Rede auf Französisch begann und später in Englisch fortsetzte, die Verantwortung der internationalen Gemeinschaft, Menschen auch dann vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen, wenn deren eigene Regierungen dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Solche internationalen Regeln und Verpflichtungen schränkten die Freiheit der Staaten keineswegs ein, erklärte Benedikt XVI.

Zuvor hatte der Papst am Donnerstag durch sein unangekündigtes Zusammentreffen mit sechs Opfern sexuellen Missbrauchs durch katholische Geistliche alle Erwartungen in eine öffentliche offensive Auseinandersetzung mit dem heiklen Thema übertroffen. Schon auf dem Flug von Rom nach Washington hatte er erklärt, er sei „zutiefst beschämt“.

Sein Vorgänger, Karol Wojtyła, hatte die in die Tausende gehenden Missbrauchsfälle weitgehend ignoriert. Den Bischof der Bostoner Erzdiözese, von der aus der Skandal im Jahr 2000 seinen Lauf nahm, nachdem ein pädophiler Serientäter unter den Klerikern identifiziert worden war, holte Wojtyła sogar in den Vatikan und damit aus der Schusslinie. Und von den US-Bischöfen, die nach Meinung von US-Opferverbänden mehr Energie ins Kaschieren der Fälle setzten als in deren Aufklärung, ist bislang kein Einziger disziplinarisch vom Vatikan belangt worden.

Der Papst habe sich überraschend viel Zeit für die Begegnung mit jedem einzelnen Opfer genommen, hieß es. Er habe ihnen unter vier Augen Mut und Hoffnung zugesprochen und schließlich mit allen gemeinsam gebetet. Einige seien weinend von der Begegnung gekommen, die in der Kapelle der Washingtoner Vatikanbotschaft stattfand, sagte Vatikansprecher Federico Lombardi. Bernie McDaid, der als Messdiener von einem Priester sexuell belästigt worden war, erklärte dem Fernsehsender CNN später, er habe dem Papst gesagt: „Es war nicht nur sexueller Missbrauch, es war auch spiritueller Missbrauch. Und ich will, dass Sie das wissen.“ Benedikt habe zu Boden geblickt, dann ihm ins Gesicht und habe ihm geantwortet: „Ich weiß, was du meinst.“

Laut einer Studie, die die US-Bischöfe im Jahr 2004 in Auftrag gegeben hatten, wurden in den Vereinigten Staaten rund 5.000 Priester glaubwürdig beschuldigt, Minderjährige missbraucht zu haben. Das sind rund 4 Prozent aller Priester, die seit 1950 im Dienst der US-katholischen Kirche standen. Die Kirche hat inzwischen mehr als 2 Milliarden Dollar (1,3 Milliarden Euro) Schmerzensgeld gezahlt. Der Skandal nahm landesweite Dimensionen an, als der Fall eines geistlichen Serientäters in Boston viele Opfer ermutigte, ebenfalls ihre Geschichte öffentlich zu machen. Die Kosten des Skandals brachten sechs Diözesen in die Zahlungsunfähigkeit und leerten landesweit die Kassen der US-Kirche. Joseph Ratzinger, der heutige Papst Benedikt XVI., hatte sich als Präfekt der Glaubenskongregation des Vatikans und damit als Zuständiger für Beschwerden gegen Priester mit den Missbrauchsfällen befasst. Das habe ihn anscheinend „tief geprägt“, schrieb die liberale Wochenzeitung National Catholic Reporter. Als „deprimierend“ bezeichnete hingegen Mary Gail Frawley-O’Dea, eine Psychologin aus Charlotte, die mit Missbrauchsopfern der Kirche arbeitet, die Haltung des Papstes. Es sei absurd, zu erklären, dass in Zukunft Pädophile von den Priesterseminaren ausgeschlossen würden. „Es gibt doch keinen einzigen Test, um das im Vorhinein zu erkennen.“