Asse-Aufsichtsbehörde denkt um

Damals dagegen, heute dafür: Das Oberbergamt warnte 1963 vor Flutung des Atommülllagers Asse – wegen der schon damals bekannten Wasserzuflüsse. Heute will die Behörde von diesen Bedenken nichts mehr wissen

Im Streit um die Schließung des vom Absaufen bedrohten Atommüllendlagers Asse im Kreis Wolfenbüttel haben Atomkraftgegner eine überraschende Entdeckung gemacht: Die aktuellen Pläne von Betreibern und Behörden für eine Flutung des Bergwerks stehen in krassem Gegensatz zur früheren Auffassung des verantwortlichen Amtes. „Das ist schon ein dickes Ding“, sagte eine Sprecherin des Göttinger Anti-Atom-Plenums am Dienstag.

Tatsächlich hatte sich das Oberbergamt Clausthal-Zellerfeld im Jahr 1963 explizit gegen eine Flutung ausgesprochen. In einer „Besprechungsnotiz“ vom 5. 12. 1963, die das Anti-Atom-Plenum aus Archiven ausgrub, wird der damalige Oberbergamtsdirektor Börger mit der Aussage zitiert, dass nach der Einlagerung von Atommüll „der Schacht mit festem Füllstoff verfüllt werden muss“. Zur Begründung verweist Börger auf die schon damals beobachteten Wasserzuflüsse.

Ab 1967 wurde dann schwach- und mittelradioaktiver Atommüll in das stillgelegte Salzbergwerk gebracht. Insgesamt liegen dort rund 126.000 Fässer. Inzwischen warnt selbst Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) vor einem „Gau“ im Bergwerk. Aus unbekannter Quelle sickern täglich 13 Kubikmeter Lauge in die Grube.

Betreiber des Endlagers Asse ist das Helmholtz-Zentrum München. Dem Forschungszentrum, das Warnungen vor einem Volllaufen des Bergwerks lange Zeit in den Wind geschlagen hatte, kann es nun mit einer Schließung des Endlagers gar nicht schnell genug gehen. Die Helmholtz-Ingenieure wollen die Grube mit einer von ihnen als „Schutzfluid“ bezeichneten Magnesiumchlorid-Lösung fluten und auf diese Weise stabilisieren.

Kritiker warnen vor einer solchen Maßnahme. Die strahlenden Abfälle wären dann nämlich nie mehr zugänglich und kontrollierbar. Sie fordern stattdessen, dass alle Optionen für eine Schließung nach wissenschaftlichen Kriterien verglichen werden – auch das Ausbuddeln des Atommülls aus den Kammern des Salzstocks.

Über den Antrag des Helmholtz-Zentrums für eine Flutung muss die Nachfolgerin des damaligen Oberbergamts, das Landesbergamt, entscheiden. Die Prüfung der Unterlagen dauere noch an, heißt es dort. Der Bund und das Land Niedersachsen haben aber angekündigt, bis zum Herbst die Maßnahmen zur Asse-Schließung zu prüfen – eine Verfüllung mit Feststoffen ist offiziell nicht dabei. „Es ist schon erstaunlich, dass ausgerechnet eine Option, die das Oberbergamt für notwendig hielt, heute gar nicht mehr untersucht wird“, wundert sich das Anti-Atom-Plenum. REIMAR PAUL