Abschiebestreit zur falschen Zeit

Der erste schwarz-grüne Krach: Weil die Hamburger Ausländerbehörde noch während der Koalitionsverhandlungen eine armenische Familie durch Abschiebung auseinander riss, ist die GAL empört. Dabei weiß sie schon seit drei Wochen Bescheid

VON MARCO CARINI

Das schwarz-grüne Bündnis in Hamburg ist noch nicht einmal in trockenen Tüchern, da wird der erste handfeste Krach zwischen den Regierungspartnern in spe bekannt. Weil die Ausländerbehörde während der laufenden Koalitionsverhandlungen eine Flüchtlingsfamilie auseinander riss, indem sie trotz bestehender Duldung den Vater und zwei schulpflichtige Kinder nach Armenien abschob, ist die GAL-Innenexpertin Antje Möller auf der Zinne.

„Nicht nachvollziehbar“ sei diese Maßnahme gewesen, empört sich Möller. In der Nacht zum 31. März waren mehrere mit einer Abschiebungsverfügung ausgestattete Polizeibeamte in das Zimmer der fünfköpfigen Familie eingedrungen, die seit acht Jahren in Hamburg lebt. Den Familienvater Ruben G. führten die Beamten in Handschellen ab, die 14-jährige Tochter Liana sowie den zehnjährigen Sohn Grischa nahmen sie gleich mit.

Die Polizisten verfrachteten die drei, die gerade zwei Wochen zuvor eine Duldungsverlängerung bis zum 13. Juni erhalten hatten, in einen Flieger nach Eriwan. Zurück in der Unterkunft blieben die Mutter und die vierjährige Tochter Sona, beide – so Freunde der Familie – aufgrund des Nacht- und Nebel-Überfalls unter Schock. Sie wurden laut Ausländerbehörde nur deshalb nicht gleich mit abgeschoben, weil in beiden Fällen gültige Ausreisepapiere nicht vorlagen.

Pikant dabei ist, dass CDU und GAL in ihrer Koalitionsvereinbarung festgelegt haben, dass Flüchtlingsfamilien nicht durch die Abschiebung einzelner Familienmitglieder auseinander gerissen werden sollen. „So etwas hat es seit anderthalb Jahren in Hamburg nicht gegeben“, klagt Antje Möller. Doch ihre öffentliche Empörung kommt spät. Auf Nachfrage bestätigt die GAL-Abgeordnete, dass die Abschiebung des Familienvaters und seiner Kinder den zukünftigen Koalitionären bereits Anfang April bekannt und ein Streitpunkt in ihren Verhandlungen gewesen sei.

Weil sich Schwarz-Grün dem Vernehmen nach darauf einigte, den Fall im bürgerschaftlichen Eingabenausschuss und gegebenenfalls in der Härtefallkommission neu aufzurollen, sah die GAL keine Veranlassung, die Öffentlichkeit von der Brutal-Abschiebung zu informieren. Erst der jetzige Alarm Hamburger Flüchtlingsorganisationen sorgt dafür, dass der Plan fehlschlug, die Koalitionswerdung nicht durch unschöne Nebengeräusche zu stören.

Für den SPD-Innenexperten Andreas Dressel sollten durch die Abschiebung während der Koalitionsverhandlungen „noch schnell Fakten geschaffen“ werden. In der Flüchtlingspolitik läge eine „Sollbruchstelle“ im schwarz-grünen Senat. Denn der künftige Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) gilt als Hardliner. Als Abgeordneter hatte er seinem noch amtierenden Vorgänger Udo Nagel (parteilos) wiederholt vorgeworfen, zu wenige Flüchtlinge abzuschieben.

Antje Möller, die dem linken Flügel der GAL zugerechnet wird, hatte hingegen Nagel nicht minder häufig wegen seines zu rigiden Umgangs mit Flüchtlingen kritisiert. Sie hofft, dass die jetzt bekannt gewordene Abschiebung ein Einzelfall bleibt. In Zukunft, sagt Möller, müsse die Behörde in solchen Fällen den Eingabeausschuss informieren. Der könne dann „den Sachverhalt prüfen“.