KUNSTRUNDGANG
: Meike Jansen schaut sich in den Galerien von Berlin um

Das Ladenlokal von :emyt ist mit MDF-Platten verbarrikadiert. „Das“, so erzählt Lilian Engelmann, „war eine Reaktion der Künstlergruppe Famed, die eine Woche lang aus Leipzig nach Berlin gekommen war, um ihre Ausstellung aufzubauen.“ Genau in jener Woche flogen im betulichen Mitte Steine gegen den Thor-Steinar-Laden, der nur wenige Häuser entfernt ist. Nicht ein einziges Tag oder Plakat ziert eine Woche später die leere Wand. Entweder sind zu viele Zivilbeamte unterwegs oder Mitte zieht keine Streetartists an. Kaum zu glauben. Erzielen in den großen Auktionshäuser doch immer öfter (nahezu anonyme) Straßenkünstler überdimensionale Preise. Um Anonymität geht es dann auch im Innern von :emyt, wo eine Neonröhre auf dem Boden liegt und ein Wandtext beschreibt, dass der Künstler sich bei der ersten Ausstellung des Werks dazu entschlossen habe, nicht genannt zu werden. Gleich um die Ecke bei jet stößt man ebenfalls auf eine eher Unbekannte. Was erstaunlich ist, betrachtet man die Arbeit von Corita Kent alias Sister Corita. Bereits zu Beginn der 60er-Jahre transformierte die praktizierende Nonne und Kunstlehrerin Slogans und Werbeästhetik in Kombination mit einer gehörigen Portion Botschaft und philosophischen Reflexionen zu einem Oevre, das sie heute als eine der wichtigsten Pop-Art-Künstlerinnen ihrer Zeit und hippieske Aktivistin zeigt. Sie organisierte knallig bunte Demonstrationen und Märsche, die sich gegen Hunger und die Ungerechtigkeiten des Kapitalismus richteten. Oftmals gingen den Kirchenobrigen Coritas experimentelle Herangehensweise wie die schlau dargestellte vielschichtige Kritik allerdings zu weit. Zumal wenn sie ganz selbstverständlich künstlerische Prozesse mit der Glaubensarbeit verband. Was wohl auch ein Grund sein mag, dass sie auch heute noch von vielen Kunstoberen ignoriert wird.

Künstlergruppe Famed: Thinking Space, bis 24. Mai, Mi.–Fr. 11–18, Sa. 11–14 Uhr, :emyt, Rosa-Luxemburg-Str. 26 What’s in it for you? Plenty! – Die Praxis von Sister Corita, bis 10. Mai, Do.–Sa. 16–19 Uhr, Jet, Memhardtstr. 1