Porsche und Wulff kämpfen um VW

Auf der heutigen VW-Hauptversammlung dürfte es hoch hergehen: Porsche und das Land Niedersachsen haben Anträge vorgelegt, um VW-Gesetz und Satzung des Konzerns zu ändern. Beide verlieren viel, wenn sie sich nicht durchsetzen

Europas größter Autokonzern, Volkswagen, ist mitten in dem Machtkampf seiner Großaktionäre mit einem Gewinnsprung ins Jahr 2008 gestartet. Vor allem dank eines Absatzrekords stieg das Ergebnis nach Steuern im ersten Quartal um ein Viertel auf 929 Millionen Euro. Das operative Ergebnis erhöhte sich in den ersten drei Monaten 2008 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um ein Fünftel auf 1,3 Milliarden Euro. Der Vorstandschef von VW, Martin Winterkorn, betonte in Wolfsburg denn auch stolz, das erste Quartal zeige, welches Potenzial im Konzern stecke. Die Mehrzahl der hauseigenen Marken habe Verkaufsrekorde erreicht. DPA

AUS HANNOVER JÜRGEN VOGES

Der Streit zwischen Niedersachsen und Porsche um die Macht bei Europas größtem Autobauer Volkswagen wird heute öffentlich ausgetragen: In Hamburg findet die Hauptversammlung von Volkswagen statt. Auf der Tagesordnung: zwei Anträge für eine neue Satzung des Unternehmens – einer vom Land Niedersachsen, der andere von Porsche.

Die Anträge sind die Konsequenz aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs, wonach das VW-Gesetz und auch die VW-Satzung teilweise rechtswidrig sind. Beide Anträge unterscheiden sich aber in dem entscheidenden Punkt der Sperrminorität: Porsche will, dass bei VW künftig 25 Prozent des Aktienkapitals für eine Sperrminorität nötig sind. Niedersachsen möchte, dass es bei den bislang notwendigen 20 Prozent bleibt. Die von Porsche beantragte Satzungsänderung würde auf lange Sicht den Weg für eine vollständige Eingliederung der Volkswagen AG in die neue Holding „Porsche SE“ freimachen, die der Sportwagenhersteller bereits gegründet hat.

In zwei weiteren Punkten gleichen sich die beiden Satzungsanträge: Beide Anträge wollen das Recht Niedersachsens streichen, automatisch zwei VW-Aufsichtsräte zu stellen. Beide wollen auch das Höchststimmrecht abschaffen, das den Stimmenanteil jedes VW-Einzelaktionärs bislang auf 20 Prozent begrenzt. Diese Vorschriften finden sich auch im VW-Gesetz. Der Europäische Gerichtshof hatte sie für rechtswidrig erklärt.

Niedersachsen legt Wert darauf, dass die Luxemburger Richter die 20-Prozent-Sperrminorität nicht untersagt haben – aus gutem Grund: Das Land besitzt derzeit genau 20,09 Prozent der stimmberechtigten Volkswagen-Aktien. Nach dem Satzungsvorschlag von Porsche würde es seine Minderheitenrechte bei VW verlieren. Die über 2 Milliarden Euro, um gut 4 Prozent des VW-Kapitals aufzukaufen, hat Niedersachsen nicht.

Porsche besitzt derzeit über 31 Prozent der Volkswagen-Aktien und will diesen Anteil auf mehr als 50 Prozent aufstocken. Das reicht nicht, um Satzungsänderungen auf der Hauptversammlung durchzusetzen. Dafür ist eine qualifizierte Mehrheit nötig, die liegt bei VW bislang noch bei 80 Prozent des stimmberechtigten Kapitals plus eine Aktie.

Ein Scheitern beider Satzungsanträge ist also absehbar. Danach droht ein Rechtsstreit. Porsche dürfte vor Gericht ziehen, um gestützt auf das Straßburger Urteil eine geänderte Satzung einzuklagen. Für beide Seiten steht viel auf dem Spiel: Porsche kann angesichts der hohen CO2-Emissionen seiner Sportwagen künftige Grenzwerte wohl nur als Teil einer Flotte eines weit größeren Autokonzerns erfüllen.

Ministerpräsident Christian Wulff kämpft um den mit Abstand größten Arbeitgeber seines Landes, an dem jeder fünfte industrielle Arbeitsplatz hängt. Ohne Sperrminorität könnte Niedersachsen selbst den VW-Firmensitz nicht im Lande halten, bei einer Eingliederung von Volkswagen in die Porsche-Holding soll der nämlich in Baden-Württemberg liegen.