Einen Versuch ist’s wert

Wie findet die taz nord Schwarz-Grün? Diese Woche schreiben RedakteurInnen, was sie von der neuen Koalition in Hamburg halten. Es hätte bedeutend schlechter kommen können als der Vertrag, den CDU und GAL zusammen ausgeheckt haben, meint Jan Kahlcke

Klar, ein in der Wolle gefärbter Tazler muss mal kurz zusammenzucken, wenn Grüne und Schwarze sich zusammentun. Und ein diffuses Unwohlsein an einem nicht so genau definierbaren Ort im Leib bleibt sogar ein paar Tage. Mit der CDU? Und dann noch mit dieser CDU, die bislang vor allem für den politischen Tabubruch stand, sich nach einer historischen Niederlage vom Rechtspopulisten Schill aushalten zu lassen? Ist die nicht auf ewig diskreditiert, oder wenigstens bis nach Ablauf einer Schamfrist nicht unter der Länge eines Oppositions-Vollwaschgangs?

Nun ist die Politik aber keine moralische Anstalt. Und in der Demokratie empfiehlt es sich, nach vorne zu blicken – sonst ist man ganz schnell wieder nur Zuschauer und kann bestenfalls „Skandal“ schreien. Und das hat die GAL lange genug getan. Jetzt hat sie ganz nüchtern geschaut, was mit Ole von Beusts CDU geht. Unterm Strich muss man sagen: eine ganze Menge.

Sicher: Die Koalitionsvereinbarung wimmelt vor Formulierungen wie „evaluieren“, „soll gefunden werden“, „getestet“ und „Diskussionsbedarf“, die häufigste Formulierung ist „wird geprüft“ – und an symbolträchtigen Punkten wie der Elbvertiefung und dem Kraftwerk Moorburg haben die Grünen keine belastbaren Erfolge erzielt. Aber dennoch: Von den beitragsfreien Kita-Jahren bis zur sozialen Stadteilentwicklung, von nachgelagerten Studiengebühren bis zur aktiven Arbeitsmarktpolitik, von der Re-Humanisierung des CDU-Spielzeugs Strafvollzug bis zum Wiedereinstieg in den öffentlich geförderten Wohnungsbau trägt der Vertrag eine deutliche grüne Handschrift. Auch weil die grünen Verhandler ihre Gegenüber immer wieder mit einer Detailversessenheit zum Nachsitzen zwangen, die manchem die Schweißperlen auf die Stirn trieb.

Auch wenn nicht gleich der grüne Schwanz mit dem schwarzen Hund wackelt, wie die Welt meinte – auch in der taz kursierte während der Verhandlungen die Befürchtung, die CDU könne geschlossen in die GAL eintreten. Für einen Juniorpartner hat die GAL der 43-Prozent-Partei eine Menge abgetrotzt. Wäre die CDU so basisdemokratisch verfasst wie die GAL, mal müsste wohl eher um die Zustimmung des CDU-Parteitags fürchten als um jene der GAL-Mitgliederversammlung.

Dieses Ergebnis hat auch etwas mit gegenseitigem Respekt zu tun: GAL-Verhandlungsführerin Christa Goetsch zeigte sich regelrecht überrascht davon, dass sie mit den Konservativen auf Augenhöhe sprechen konnte. Von der SPD waren die Grünen es noch gewohnt, als ungeliebter Bastard am Katzentisch abgekanzelt zu werden.

Ein Teil des Unverständnisses, das der GAL nun entgegenschlägt, rührt aus dieser Sichtweise: Die Grünen als Fleisch vom Fleische der SPD, die schon aufgrund ihrer Herkunft gar keine andere Option haben kann (darf?), als mit der großen Schwester zu koalieren oder zu opponieren. Aber mal ehrlich: Das hat das Wahlergebnis diesmal nun wirkliche nicht hergegeben. Alle Beteiligten hatten vor der Wahl ein rot-rot-grünes ausgeschlossen, und wer nun ausgerechnet in diesem Fall einen Bruch sämtlicher Wahlversprechen fordert, hat die politische Moral auch nicht gerade gepachtet.

Die Alternative zu schwarz-grün hätte Große Koaltion geheißen, hätte bedeutet, dass die sklerotische Hamburger SPD als Juniorpartner unter den weiten Mantel des Ole von Beust geflüchtet wäre – geflüchtet vor der Auseinandersetzung mit sich selbst. Dass die SPD ihre Niederlage immer noch nicht realisiert hat, hat sie mit dem Überraschungskandidaten Michael Naumann nur temporär kaschiert. Bevor sie wieder regierungsfähig wird, muss sie einiges klären, unter anderem den Verbleib von einigen hundert Stimmzettel aus der Kandidatenwahl. Und alle potenziell Beteiligten müssen gehen.

Da mag SPD-Fraktionschef Michael Neumann im taz salon ätzen, jetzt habe Hamburg seine „bürgerliche Koalition“, besser als eine unter Beteiligung seiner Partei ist das allemal. Dabei hat er sogar ein bisschen Recht: Die Klientel von Grünen und CDU liegen milieumäßig vor allem in den wohlhabenderen Stadtteilen dichter beieinander als beiden lieb ist. Und bei Themen wie der oft bemühten Kreativwirtschaft berufen sich beide schon lange auf dieselben Theorien. Auch deshalb ist es einen Versuch wert, ob da nun grüne Marktwirtschaft oder schwarze Nachhaltigkeit bei herauskommt.