heute in bremen
: Bohème oder Unterschicht?

„Wovon lebst du eigentlich?“ – Buchvorstellung zu freien Berufen

taz: Warum sollen sich Bremer für die Sorgen der Berliner Digitalen Bohème interessieren?

Jörn Morisse, freier Autor und Übersetzer: Moment, das hat mit dem Klischee „digitale Bohème“ nichts zu tun, in unserem Buch geht es um ganz handfeste Überlebensstrategien: Was muss ich machen, um von meiner Kunst, meiner Musik, meinen Texten leben zu können? Diese Frage stellen sich Kulturschaffende in allen Großstädten.

Und wie lautet die Antwort?

Das ist sehr unterschiedlich. Klar ist, eine Einrichtung wie die Künstlersozialkasse ist für viele überlebensnotwendig. Einige von denen, mit denen wir gesprochen haben, lehnen Hilfe vom Staat ab, weil sie möglichst wenig mit ihm zu tun haben wollen. Manche Freiberufler schaffen es, mit 800 bis 1.000 Euro monatlich auszukommen, für die sind diese prekären Umstände eine Investition in eine hoffentlich glorreiche Zukunft.

Also alles halb so wild?

Nein, überhaupt nicht. Es gibt Leute, die Schuldenberge anhäufen, die nicht wissen, wie sie ihre Miete bezahlen sollen. Und gar nicht daran denken können, auch mal zu investieren. Die leben unter der Armutsgrenze und niemand bekommt es mit, weil sie in keiner Statistik auftauchen. Deshalb haben wir auch das Buch gemacht.

Aber muss man sich der Vorstellung anpassen, Erfolg sei nur in Geld zu messen?

Nein, eine Belohnung ist natürlich auch, wenn einem Freunde gratulieren, weil man etwas auf die Beine gestellt hat, wenn sich Leute über eine Platte freuen, die man gemacht hat. Das heißt aber nicht, dass es keinen Grund gäbe, sich auch mal über einen Charts-Hit zu freuen! Interview: Eiken Bruhn

Diskussion „Wovon lebst du eigentlich? (Freie) Arbeit zwischen Bohème, Büro und Billiglohn.“: 19 Uhr im Speicher XI.