Keine Gefahr für den Turm

Ein Bremer wurde verdächtigt, den Waller Fernsehturm sprengen zu wollen. Das anrückende Sondereinsatzkommando fand nur Silvesterraketen. Gestern wurde der Mann frei gesprochen

Von Teresa Havlicek

Schwer verwundert war der damals 51-jährige Bremer H., als die Polizei an einem Sommermorgen vor vier Jahren sein Reihenhaus stürmte. Ein Hubschrauber kreiste am Himmel, ein Sondereinsatzkommando samt Bombenentschärfern durchkämmte seine Wohnräume. Am Donnerstag verhandelte das Amtsgericht wegen „Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz“ gegen H.

Alles was sie an Chemikalien finden beschlagnahmte die Polizei, ebenso wie vier Silvesterraketen. Man verdächtigte H., geplant zu haben, den Waller Fernsehturm und andere Sendemasten sprengen zu wollen, um die Telekom zu erpressen. So zumindest lautete der Hinweis, den ein JVA-Inhaftierter der Polizei in einem Brief gab. Ein zusätzliches Verdachtsmoment lieferte H. selbst. Die sicher gestellten Gegenstände seien „nur die kleinen zum Üben“, will er das Vorgehen der Polizei kommentiert haben, als diese sein Haus durchsuchte.

Vor Gericht zeigte sich H. verwundert über die Anschuldigungen. „Ein Jahr, nachdem der Mann ins Gefängnis ging, erzählt der so eine Räuberpistole“, sagte er. „Ein Bekannter eines Bekannten“, sei der Tippgeber der Polizei gewesen, sagte H.

„Die Raketen sind nach einer Feier übrig geblieben“, sagte er vor Gericht. Ein Gast habe sie zur Sylvesterparty mitgebracht und er, H., habe sie für den nächsten Jahreswechsel auf dem Speicher aufgehoben. Mit den Chemikalien habe er „Platinen gereinigt“.

Eine Untersuchung der beschlagnahmten Chemikalien ergab, dass diese „frei erwerbbar“ sind. Die angeordnete kriminaltechnische Untersuchung, ob die vier vorgefundenen Rakten von H. verändert wurden, war nicht mehr möglich. Die Kriminalpolizei hatte diese, ebenso wie alle anderen explosive Beweisgegenstände und Munitionion, in einem Bunker eingelagert. Doch in diesen war in der Zwischenzeit Wasser eingedrungen, alle Asservate waren feucht gewordenen und mussten beseitigt werden. Auch die vier Raketen aus Hs. Haus wurden vernichtet – „aus Versehen“, wie es hieß.

Die Beweisaufnahme konnte ein Vergehen Hs. gegen das Sprengstoffgesetz nicht bestätigen. Zudem verwies das Gericht auf abweichende juristische Auffassungen zur Strafbarkeit des Tatbestands nach dem Sprengstoffgesetz. H. wurde freigesprochen, die Prozesskosten trägt nun die Staatskasse.

Die Staatsanwaltschaft merkte an, dass die Kommunikation zwischen den Parteien „keine gute“ gewesen sei. Dies habe das juristische Verfahren zusätzlich in die Länge gezogen. Neben seinem sarkastischen Einwurf beim Polizeizugriff, es handele sich nur um „Übungssprengstoff“, hatte H. die beschlagnahmten Chemikalien zurückgefordert. Auf die Herausgabe dieser wollte er unter keinen Umständen, auch nicht bei Erstattung ihres Kaufpreises durch die Behörden, verzichten. „Aus Prinzip nicht.“

Dem Tippgeber attestierte der verhandelnde Richter indes „eine sehr gute Phantasie“. Eine sehr überzeugende Geschichte habe der sich „erstunken und erlogen“.

Für H. war die Polizeiaktion vor vier Jahren nicht die erste Hausdurchsuchung. Und auch falsche Beschuldigungen bei der Polizei sind bei ihm schon öfter vorgekommen. „Neid oder Schabernack“, so erklärt sich H. die Motive der Denunzianten. Gerichtlich verurteilt wurde er jedoch nie, er hat keine Einträge im Bundeszentralregister.