Erst strahlen, dann schwarz sehen

Nach dem Atom soll die Kohle kommen: Kiels Wirtschaftsministerium jubelt über Milliardeninvestition in ein Steinkohlekraftwerk in Brunsbüttel. Bei den Genehmigungsbehörden liegt aber noch nicht einmal ein Antrag vor

Jubel in Kiel: Gestern gratulierten Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und Wirtschaftsminister Dietrich Austermann (beide CDU) der Stadt Brunsbüttel zur „größten Industrieansiedlung ihrer Geschichte“ – die Weichen seien gestellt für den Bau eines Steinkohlekraftwerks des Tübinger Energieunternehmens Südweststrom (SWS) mit zwei Blöcken á 900 Megawatt.

Drei Milliarden Euro beträgt die Investition nach Angaben der Landesregierung, 200 Dauerarbeitsplätze würden entstehen – „ein Beleg für unsere erfolgreiche Wirtschaftspolitik“, sagte Carstensen. Und ein Ersatz für das dortige Atomkraftwerk, das laut Atomausstiegsgesetz 2009 oder 2010 stillgelegt werden muss.

„Der Stadtrat hat bloß den Bebauungsplan genehmigt“, erklärt Kai Schwonberg von der „Wählerinitiative für reelle Politik“ (WIR) in Brunsbüttel. „Dass das Werk auch kommt, steht noch lange nicht fest.“ Denn genehmigt werde der Bau vom Bundesumweltamt, „und soweit ich weiß, liegt da noch nicht einmal ein Antrag der SWS vor“, sagt Schwonberg.

Im Juni steht noch ein Erörterungstermin an, bei dem das Unternehmen der Bevölkerung und Gemeindevertretern des Umlandes Rede und Antwort stehen will. „Es ist noch jede Menge Zeit, um Einwände zu erheben, Unterschriften zu sammeln und deutlich zu machen: Wir wollen keine Kohlekraftwerke, weder in Brunsbüttel noch sonst wo“, erklärt der WIR-Sprecher. „Vielleicht möchte der Wirtschaftsminister den Eindruck vermitteln, es habe keinen Sinn, weiter zu protestieren, aber das stimmt schlicht nicht.“

Die SWS sieht das anders: „Die große Mehrheit in der Ratsversammlung und die kooperative Abwicklung des Bauleitplanverfahrens zeigen, dass die Stadt für das Projekt eintritt“, so Bettina Morlok, Geschäftsführerin der eigens gegründeten Stadtkraftwerk Brunsbüttel GmbH & Co KG. Bisher habe es in Brunsbüttel „nur relativ wenige Einwendungen von Seiten der Behörden und der Öffentlichkeit“ gegeben.

Auch das Bundesimmissionsschutzverfahren sei angelaufen, Unternehmen wie Landesregierung erklären, dass auch die Umweltbilanz des geplanten Werkes stimme. Die Regierung „dränge darauf“, dass das neue Werk zehn Jahre nach Betriebsaufnahme – die für 2012 geplant ist – auf die CCS-Technik umstellt. Dabei wird Kohlendioxid abgespalten und in den Untergrund gepresst. Dieses Verfahren ist noch in der Erprobung. ESTHER GEISSLINGER