Selbstbedienung im Knast

In der Medikamentenaffäre wird heute der Prozess gegen fünf Justizbedienstete eröffnet. Der Vorwurf: Sie sollen sich aus der Knastapotheke bedient haben

Auf den ersten Blick wirkt der Prozess, der heute vor dem Amtsgericht verhandelt wird, banal: Diebstahl lautet der Vorwurf gegen fünf Angeklagte. Der Schaden wird auf 2.230 Euro beziffert. Dass sich dahinter ein handfester Justizskandal verbirgt – die sogenannte Medikamentenaffäre in der Haftanstalt Moabit – erschließt sich nur Kennern.

„Selbstbedienung aus der Knastapotheke“ lautete die Schlagzeile, als die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im Januar 2007 durch einen Fernsehbericht an die Öffentlichkeit gelangt waren: Fünf Mitarbeiter der Haftanstalt Moabit stünden im Verdacht, sich im Gefängnis mit Medikamenten eingedeckt zu haben, die für Gefangene bestimmt waren, hieß es. Der Beitrag ließ vermuten, dass es sich bei dem bekannt gewordenen Fall um die Spitze eines Eisbergs handelte.

Justizsenatorin Giesela von der Aue (SPD) sah sich mit dem Vorwurf konfrontiert, die Justizverwaltung habe jahrelang die Augen vor einem skandalösen Missstand verschlossen. Persönlich dafür verantwortlich zu machen war von der Aue nicht, weil sie erst kurz im Amt war. Sie entließ den langjährigen Justizstaatssekretär Christoph Flügge (SPD) mit der Begründung, das Vertrauensverhältnis sei gestört. Und sie setzte eine Untersuchungskommission ein, die unabhängig von der Staatsanwaltschaft eine umfassende Organisationsprüfung in den Gefängnissen vornehmen sollte. „Ob das Ausmaß des Skandals 3,50 Euro beträgt oder 1 Million Euro, wissen wir noch nicht“, so von der Aue damals. Die Untersuchung hatte zur Folge, dass die Medikamentenbestellung für die Knäste heute online erfolgt, um Missbrauch auszuschließen.

Vor Gericht stehen nun eine Krankenschwester, drei Pfleger und ein Vollzugsmitarbeiter aus Moabit. Sie sollen von Mai 2005 bis September 2006 Arzneimittel im Gesamtwert von 2.230 Euro für Privatzwecke abgezweigt haben. Die anfängliche Vermutung eines jahrelangen, massenhaften Missbrauchs hat sich demnach nicht bestätigt. PLUTONIA PLARRE