am wochenende in bremen und stuhr
: Hungerstreik, Gefängnis, Klangfülle

Allegro-Chor und Bremer Kammer Sinfonie ehren Ethel Smyth. Die vergessene Komponistin wird 150

taz: Sie dirigieren Ethel Smyths Messe in D-Dur. Nach deren Uraufführung 1893 in der Londoner Royal Albert Hall hieß es: „Das Publikum raste, die Presse war vernichtend.“ Welche Reaktionen erwarten Sie heute?

Karin Gastell: Dass das Publikum eine ähnliche Entdeckerfreude erlebt, wie wir sie angesichts der Klangfülle dieser opulenten Komposition gespürt haben. Die Messe ist ausgesprochen farbig orchestriert.

Trotzdem scheint Smyth als Musikerin weniger radikal gewesen zu sein als beim Erkämpfen ihrer Studienerlaubnis durch einen Hungerstreik. Oder im Einsatz für Frauenrechte, für den sie auch ins Gefängnis ging.

Musikalisch war Smyth keine Erneuerin, sie hielt wenig von freier Tonalität oder Zwölfton-Experimenten. Aber auch, wenn ihr Werk in den Schuhen von Brahms steht und der spätromantischen Form verhaftet bleibt, besitzt es eine schwer zu beschreibende Eigenwilligkeit. Smyth verlangt extreme Ausdrucksformen, die mit großen technischen Anforderungen verbunden sind. Etwa ein hohes „h“ für den Sopran, das über acht Takte gehalten werden muss.

Für die Uraufführung wurden 1.000 SängerInnen aufgeboten, Sie haben immerhin 80. Ist damit ein adäquates Klangbild zu erreichen?

Durchaus. Händel wurde früher auch mit großen Sängermassen aufgeführt – was heute niemand mehr machen würde. Wir sind sehr stolz, dass wir, als relativ kleiner Chor, dieses Projekt sozusagen von Null aus dem Boden gestampft haben. Das ging nur mit sehr vielfältiger Unterstützun, etwa durch die St. Pauli-Kantorei. Fragen: Henning Bleyl

Aufführungen: Samstag, 20 Uhr, in der Gutsscheune Stuhr-Varrel,Sonntag um 17 Uhr in der Bremer Liebfrauenkirche. Karten: ☎ (0421) 562 139