Kochen für Bleichgesichter

Die pure Not trieb die Indianer dazu, alles zu jagen, was nicht bei drei auf dem Baum war. Dafür klingen ihre Rezepte allerdings ziemlich verlockend

So unterschiedlich wie die klimatischen Verhältnisse, so unterschiedlich waren auch die Lebensbedingungen der indigenen Ureinwohner Amerikas. „Die indianischen Bewohner der nördlichen Breiten lebten am Rande der bewohnbaren Welt und damit in einer permanenten Extremsituation“, schreiben Brigitte und Elmar Engel in ihrem Buch „Indianisch Kochen“. „Sie besaßen weder die Mittel noch lag es in ihrer Absicht, die Natur zu dominieren. Sie konnten nur versuchen, das Beste aus ihr zu machen.“ Die Indianer hätten nichts anderes tun können, als so gut wie jedes Lebewesen zu verfolgen, zu belauern, zu töten, um es schließlich zu essen, meinen die Autoren.

Je weiter südlich die Stämme lebten, umso besser war die Versorgung mit Nahrungsmitteln. In den nordöstlichen Wäldern war das Klima gemäßigter, das Vorkommen an essbaren Pflanzen reichhaltiger und mehr Tiere zum Jagen gab es auch. Weiter im Süden konnte das Meer als schier unerschöpfliche Nahrungsquelle ausgeschöpft werden.

Doch egal, wo sie lebten – eines war bei allen gleich: „Um eine effektive Vorratshaltung kümmerten sie sich kaum, wussten sie doch, dass Vorräte ein Transportproblem darstellen und entsprechend unbeweglich machen. Den Indianern war klar: Das Wichtigste für den Nomaden ist seine Leichtfüßigkeit und nicht, sich mit tönernen Töpfen zu belasten“, schreiben die Engels. „Die Indianer waren Gourmands und kaum Gourmets“ urteilen die beiden AutorInnen, die seit Jahrzehnten im Nordosten Kanadas in unmittelbarer Nachbarschaft einer Indianersiedlung leben.

Sie trugen eine Fülle von original indianischen Rezepten zusammen, die sehr wenig mit den romantischen Vorstellungen zu tun haben, die hierzulande über das Indianerleben vorherrschen, etwa Wildreis-Pilaf mit Möhren und Fenchel, Kürbissuppe oder Rotwein-Lachs mit Pekan-Nüssen. Bis auf für uns eher exotische Zutaten, wie Elch-, Bären- und Büffelfleisch, kochen die amerikanischen Ureinwohner mit profanen Grundstoffen wie Mais, Forelle, Wildreis, Löwenzahn, Sauerampfer, Brennnesseln, Topinambur, Pastinaken, Kürbis, Ahornsaft, Bohnen, Pilzen, Chilis, Lachs, Truthahn, Schweinefleisch, Meeresfrüchten, Beeren und Nüssen. Die meisten beschriebenen Gerichte sind einfach nachzukochen, andere, wie die Bären-Karbonade oder der Kaktussalat, hingegen eine echte Herausforderung. Wer kann schon hierzulande einen Bären erlegen oder hat einen Kaktus im Garten stehen, der Fruchtfleisch für Salate liefert? Da gilt es, sich der indianischen Lebensweise anzupassen und sich den Gegebenheiten der Natur unterzuordnen – und auch mal zu verzichten.

Das Buch „Indianisch Kochen“ erschien in der Reihe „Gerichte und ihre Geschichte“. Dem Anspruch, Hintergrundwissen zu vermitteln, werden Brigitte und Elmar Engel mit einer ausführlichen kulturhistorischen Betrachtung der Lebenswelt der Ureinwohner Amerikas gerecht. Gespickt mit tollen historischen Aufnahmen ist das Buch nicht nur für Liebhaber exotischer Kochkunst ein echtes Schmankerl. Birgit Gärtner

Brigitte und Elmar Engel: Indianisch Kochen, Verlag Die Werkstatt, Göttingen, 224 S., zahlreiche Fotos, 16,90 €