Wahlkampf mit Aktenklau

Die Polizei hat das Pinneberger Rathaus kurz vor der Bürgermeisterwahl am Sonntag durchsucht. Ein Personalbogen des Kandidaten Kurt Schoula war einer Lokalzeitung zugespielt worden

Der Bürgermeister forderte die Personalakte am 3. April an, eine Woche später erschien sie in der Lokalpresse

VON DANIEL KUMMETZ

Eigentlich treten zur Bürgermeisterwahl am Sonntag in Pinneberg fünf Kandidaten an. Doch für Aufregung in der schleswig-holsteinischen Stadt sorgt der Kampf zweier Anwärter auf das Amt, der in dieser Woche eine Durchsuchung der Polizei im Rathaus und Ermittlungen der Kommunalaufsicht zur Folge hatte: Es besteht der Verdacht, dass der Amtsinhaber Hans-Werner Nitt die Personalakte seines Untergebenen und Herausforderers Kurt Schoula an die Presse lanciert hat.

Die Zeitung wies Schoula damit nach, dass er auf einer Bürgerveranstaltung über seine SED-Vergangenheit gelogen hatte. Ein Wähler hatte ihn dort gefragt, ob er Mitglied der Staatspartei gewesen sei. Das verneinte Schoula. Dem veröffentlichten Personalbogen zufolge war Kurt Schoula von 1972 bis 1989 SED-Mitglied.

Schoula ist Mitarbeiter in der Stadtverwaltung und vermutet, dass die Unterlagen aus dem Rathaus stammen. Recherchen einer Kommission des Stadtrats haben nach einem Bericht des Pinneberger Tageblatts ergeben, dass Horst-Werner Nitt, der Chef und Konkurrent von Schoula, am 3. April die Akten anforderte. Genau eine Woche später wurden die Unterlagen im Pinneberger Tageblatt veröffentlicht. Nitt behauptet, er habe über eine Versetzung Schoulas nachgedacht. Er bestreitet nicht, dass er die Akten gelesen hat.

Schoula erstattete Anzeige. Seine Vorwürfe gegen Unbekannt lauten: Verstoß gegen das Datenschutzgesetz, Verrat von Dienstgeheimnissen, Diebstahl, Ausspähung von Daten und nicht zuletzt Urkundenfälschung. Schoula behauptet, dass die Akten vor dem Abdruck in der Zeitung manipuliert worden seien, seine SED-Mitgliedschaft auf dem Papier also länger dauerte als das in der Realität der Fall war.

Die Falschaussage Schoulas über seine SED-Vergangenheit hatte für den Verlauf des Wahlkampfes verheerende Folgen: Er war als unabhängiger Kandidat angetreten, wurde aber von CDU und FDP unterstützt. Diese Wahlkampfhilfe verlor er, als ihm die Lüge nachgewiesen wurde.

Die Pinneberger können am Sonntag auf jeden Fall wählen, die Arbeit der Ermittlerteams ändert daran nichts. „Das ist alles sehr unschön, aber die Wahl findet statt“, sagt Karin Becker von der Stadtverwaltung. Sie leitet Bürgermeisterwahl und den „Inneren Service“ im Rathaus. Ihr untersteht damit auch die für Schoulas Akte zuständige Personalabteilung.

Für einen Rückzug war es für Kurt Schoula beim Bekanntwerden seiner Lüge zu spät – daran hatte er allerdings auch nicht gedacht. „Jetzt erst recht“, verkündete er etwas mehr als zwei Wochen vor der Entscheidung der Pinneberger. Ob er das Wahlergebnis akzeptiert, macht Schoula von seinem Ergebnis abhängig. Bei einem schlechten Abschneiden wird er die Wahl anfechten.

Die Kommunalaufsicht untersucht jetzt schon, ob Mitarbeiter der Stadt gegen die Verschwiegenheitspflicht verstoßen haben und hat sich die Protokolle der Anhörungen der Sonderkommission des Stadtrats schicken lassen. Was bei den Ermittlungen der zuständigen Staatsanwaltschaft Itzehoe herausgekommen ist, wollte deren Sprecher Ralph Döpper nicht sagen. Ergebnisse gebe es frühestens in vier Wochen.

Bei der Wahl am Sonntag treten neben Nitt und Schoula zwei weitere Unabhängige an: Bernd Stachowski und Carsten Struck. Die einzige Partei mit eigener Kandidatin ist die Pinneberger SPD: Kristin Alheit aus Hamburg tritt für die Sozialdemokraten an – als einzige Kandidatin mit offizieller Parteiunterstützung.