kabinenpredigt
: Sarah BSC

Von Zeit zu Zeit fühle ich mich als Hertha-Anhängerin sehr einsam. Wenn in Kneipengesprächen, bei denen es um Bier und um Fußball geht, meine Trinkfreunde mit den Augen rollen, weil ich früher oder später rufe: „Hertha? Toller Verein. Mein Verein!“ Das hätten sie meistens nicht von mir gedacht, sagen sie, und ich sinke als Fußballexpertin in ihrem Ansehen. Dann nennen sie, ohne überlegen zu müssen oder überhaupt nur Atem zu holen, fünf, sechs, sieben Gründe, die gegen Hertha sprechen. Gründe, die schwer zu entkräften sind, zu denen ich nur sagen kann: „Na und?“ oder „Selber!“ oder „Trotzdem!“

In solchen Momenten sehne ich mich nach einem einfacheren Verein. Einem, der mehr Anhänger hat, bei dem ich mich darauf verlassen kann, dass, wenn mir die Argumente ausgehen, ein oder zwei andere Fans in die Bresche springen. Einen Verein, der in der Region verwurzelt ist, zu dessen Spielen schon der Vater als kleiner Junge hingegangen ist und bei dem während der wichtigen Heimspiele die Straßen der Stadt leer sind, weil alle im Stadion oder vor dem Fernseher sitzen. Der Tagesgespräch ist und bei dem man sich zumindest einbilden kann, es würde den Spielern tatsächlich noch um so etwas wie Vereinsehre gehen. Von einem guten Tabellenplatz und schönen Spielen will ich gar nicht erst anfangen.

Ja, so geht es mir dann, und ich schaue betrübt in mein halbleeres Bierglas und überlege, ob ich nicht eine Möglichkeit finde, umzusteigen. Einfach meine Herthasympathie auf einen anderen Verein zu projizieren. Auf Schalke 04 vielleicht? Die haben alles, was ich mir in diesem Moment wünsche.

Ich trinke noch einen Schluck und bin schon fast so weit, aufzugeben und umzuschwenken, doch dann fällt es mir wieder ein: Wie Kevin Kuranyi, beim ersten Spiel, nachdem Trainer Mirko Slomka auf so hässliche Art entlassen wurde, einfach mal vier (!) Tore schoss. In einem Spiel. Und dann so tat, als wäre das purer Zufall, als hätte sein vorheriges Spielen nach Dienstplan überhaupt nichts damit zu tun gehabt, dass er Stress mit Slomka hatte. Das ist so richtig schofelig und blöd.

Damit will ich nichts zu tun haben und rufe es in die Bierrunde. „So etwas gibt es bei Hertha jedenfalls nicht. Wie kann man nur einen anderen Verein mögen?“ Ist doch wahr. SARAH SCHMIDT