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27 Jahre haben sie warten müssen, jetzt ist die deutsche Rugby-Nationalmannschaft wieder erstklassig

BERLIN/AMSTERDAM taz ■ „Wir haben das große Ziel erreicht“, sagte Rudolf Finsterer, Trainer der deutschen Rugby-Nationalmannschaft. Das große Ziel, das ist der Aufstieg in die Europa-Division eins. Ganze 27 Jahre haben sie darauf warten müssen. Doch nach dem 27:17 (13:12)-Erfolg am Samstag in Amsterdam gegen die Niederlande, wo man auch schon 26 Jahre nicht mehr gewinnen konnte, ist die Rückkehr geschafft. „Der Druck war enorm, und ich brauche noch eine Weile, um das zu verarbeiten“, sagte Finsterer.

Mindestens zwei Jahre werden sie nun in der ersten Division spielen. „Da weht ein anderer Wind“, weiß Finsterer. Sie sind gewarnt, denn beim letzten Mal 1981 stieg man gleich wieder ab. Das soll diesmal anders sein. „Es kann sein, dass wir zunächst Haue bekommen werden“, glaubt Claus Peter Bach, Präsident des Deutschen Rugby-Verbandes (DRV), „wir werden aber ganz sicher nicht jedes Spiel verlieren.“ Dass sie mithalten können, haben sie in jüngster Vergangenheit bewiesen. Gegen zwei der künftigen Gruppengegner konnte unlängst gewonnen werden: gegen Spanien in der WM-Qualifikation und gegen WM-Teilnehmer Portugal.

Langfristig will man sich in dieser Elitegruppe etablieren. Spielerisch kann das deutsche Team schon jetzt mithalten. Probleme gibt es eher mit der Physis. Deshalb bedarf es einer weiteren Professionalisierung. „Die Nationalmannschaft muss sich öfter treffen und wir müssen mehr Trainingslager abhalten“, fordert Finsterer. Aber genau darin liegt das Problem. Lediglich drei Spieler im Kader können sich als Vollprofis bezeichnen – die drei spielen in der französischen Profiliga in Orléans. Der Rest sind Amateure. Man müsse wenigstens zum Halbprofitum kommen, fährt Finsterer fort. Die Lage hat sich in den letzten Jahren aber immerhin gebessert. „Früher ging uns zum Ende des Jahres immer das Geld aus“, sagt Bach. „Jetzt können wir alle Projekte finanzieren.“

Der Aufstieg war kein zufälliges Ereignis, sondern das Ergebnis langer Arbeit. Seit gut sechs Jahren wurde das Team aufgebaut. Die Qualität der Mannschaft besteht vor allem im Gemeinschaftsgeist. „Wir nennen uns selbst die Rugby-Familie“, sagt Finsterer. Das allein wird vermutlich aber nicht reichen. „Wir haben acht bis neun Spieler, die das Niveau auf alle Fälle haben“, so Claus Peter Bach. Hinzu kämen noch einige Talente,die den Sprung schaffen können.

Der Kader der Nationalmannschaft rekrutiert sich vornehmlich aus Spielern der deutschen Rugbyzentren: Der Großteil stammt aus Heidelberg, der Rest aus Hannover, Berlin oder Frankfurt. Doch die Rugby-Familie wächst. In den letzten Jahren verzeichnet der Verband einen stetigen Zuwachs. Neue Vereine werden gegründet – auch in Regionen wie Bayern oder den neuen Bundesländern, die bisher weiße Flecken auf der deutschen Rugbykarte waren. Die Marke der Verbandsmitglieder überschritt vor Kurzem die 10.000er-Marke.

NICOLAS SOWA