heute in bremen
: Perfekte Simulation

Experten diskutieren, ob sich der Einzelhandel aus der Stadt verabschiedet

taz: Herr Siebel, Einkaufszentren boomen – geht das so weiter?

Walter Siebel, Professor für Stadtforschung, Universität Oldenburg: Ja, aber die Zukunft der Malls liegt nicht auf der grünen Wiese, sondern in den Innenstädten. In Zukunft werden wieder mehr Menschen in die Städte ziehen, so kommt auch mehr Kaufkraft in die Städte – was die Innenstädte für Einkaufszentren attraktiver macht. Innerstädtische Malls sind aber eine noch stärkere Konkurrenz für den dortigen Einzelhandel. Verlierer werden der traditionelle Einzelhandel, die Nebenzentren und die 1B-Lagen in den Innenstädten sein.

Nehmen die Leute Malls überhaupt an?

Schon. Malls können für Menschen, die im innerstädtischen bürgerlichen Raum bislang keinen Platz haben, ein Gewinn an sozialem Raum sein. Zum Beispiel Jugendliche: Die sind dort relativ sicher, unterliegen aber nicht der Kontrolle ihres Elternhauses oder der Schule.

Woran scheitern Malls?

An dem, was ihre Stärke ist: Ihrer Perfektion, ihrem sicheren, sauberen, wunderschönen, für den Konsum gestalteten Ambiente. Alles, was in der Stadt unangenehm ist, wird dort ausgeklammert: Dreck, Penner, Fremde und befremdliche Erfahrungen. Da laufen sie Gefahr, langweilig zu werden. Das wissen die Betreiber aber auch. Deswegen finden in Malls Events statt, es gibt geplante Unordnung mit Marktständen und Marktschreiern und es wird regelmäßig umgestaltet.

Also die perfekte Simulation?

Die regelmäßige Umgestaltung schafft andere Probleme: Sterilität und Geschichtslosigkeit. Die klassische europäische Stadt werden sie nie kopieren können. Denn die ist ein Stein gewordenes Geschichtsbuch.

Interview: Teresa Havlicek

Podiumsdiskussion „Einkaufen zwischen Lust und Last“: 19 Uhr, Bremer Zentrum für Baukultur, Speicher XI