Schutz auch für Beschuldigten

Nachdem sie gegen einen Hamburger Priester Strafanzeige wegen Missbrauchs erstattet haben, schweigen die Initiatoren der Anzeige. Staatsanwaltschaft verweist auf den Persönlichkeitsschutz

von FRIEDERIKE GRÄFF

In der Auseinandersetzung um die Missbrauchsvorwürfe gegen einen Hamburger Priester ist offenbar Stillschweigen vereinbart worden. Nachdem der Name des Beschuldigten bereits in Journalistenkreisen offen genannt wurde, hat der Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft, Rüdiger Bagger, einen der Initiatoren der Anzeige, den Hamburger Geschäftsmann Krzystof Stobinski, zu mehr Zurückhaltung aufgefordert. Dieser hatte im Hamburger Abendblatt dem Erzbistum vorgeworfen, schon länger über die Vorwürfe informiert gewesen zu sein. Nähere Anhaltspunkte dafür nannte er im Interview mit dem Abendblatt mit Verweis auf das laufende Verfahren jedoch nicht. Inzwischen sind weder er noch sein Anwalt Wolfgang Vehlow zu weiteren Stellungnahmen bereit.

Aufgekommen waren die Vorwürfe, nachdem Stobinski, der als Vormund eines Hamburger Priesters bestellt war, in dessen Besitz einen Brief aus dem Jahr 1999 auffand. Dort soll geschildert sein, wie der Beschuldigte einen jüngeren Jungen küsst und ihm in den Schritt greift. Nachdem Stobinski, der Vorstandsmitglied im Stadt-und Diözesanpastoralrat ist, Strafanzeige erstattet hatte, monierten kritische Stimmen, dass er nach mehr Einfluss in der Kirche strebe. Er selbst sagte, dass er danach Morddrohungen erhalten habe.

Dem Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft zufolge gibt es bislang keine direkten Zeugen für die Vorwürfe. Auch die Personalie des mutmaßlichen Opfers sei noch unbekannt. Angesichts von Anrufen aus Japan und den Vereinigten Staaten gehe es nun darum, „mehr Ruhe“ in die Angelegenheit zu bringen. „Es gibt auch hier Menschenrechte – nicht nur in Tibet.“

Das Erzbistum hat den beschuldigten Priester bis zur Klärung der Vorwürfe beurlaubt und der Staatsanwaltschaft seine Mithilfe angeboten. Stobinskis Kritik, man habe schon früher von den Beschuldigungen gewusst, wies der Sprecher des Erzbistums, Manfred Nielen, zurück: „Wir haben von den Vorwürfen erst durch eine Medienanfrage erfahren.“

Der Geschäftsführer des ökumenischen Netzwerks „Kirche von unten“, Bernd Hans Göhrig, begrüßte die schnelle Suspendierung des beschuldigten Priesters. Gleichzeitig kritisierte er die 2002 von der Deutschen Bischofskonferenz verabschiedeten Richtlinien für den Fall, dass Geistliche Minderjährige sexuell missbrauchen. Wünschenswert seien Ombudsstellen, die auch mit nicht-kirchlichen Vertretern besetzt sind.

Derzeit liegt es im Ermessen des Bistums, wen es als Ansprechpartner einsetzt. In Hamburg zuständig sind Domkapitular Ansgar Hawighorst und seit kurzem eine Diplompsychologin, die zugleich Leiterin des Referats Ehe, Familie und Lebensfragen ist. Hawighorst ist zugleich Leiter des Personalreferats – dies habe „vielleicht Vor- und Nachteile“, sagte der Bistumssprecher. Im Erzbistum Hamburg ist seit dessen Gründung 1995 kein Missbrauchsfall an die Berater herangetragen worden. In Schleswig-Holstein wurden 1994 zwei Fälle bekannt.