Perfekte Effekte, gnadenlose Reihung

„With your eyes“ feiert Premiere in Bremen: Selten war das Tanzensemble nordwest physisch so gefordert wie in der Inszenierung des israelischen Regisseurs Rami Be’er – und selten war seine Leistung so leicht konsumierbar. Stehenden Beifall gab es dennoch

Dass die ersten Standing Ovations der aktuellen Spielzeit des Bremer Theaters, also auch der noch jungen Intendanz von Hans-Joachim Frey, mit einer Choreografie geerntet werden, ist schon an sich bemerkenswert. Schließlich gilt Tanz in der Regel als drittes Rad am Theater-Tandem Oper & Schauspiel. Die Bremer Premiere von „with your eyes“, der ersten Gemeinschaftsproduktion der „Compagnie nordwest“, deren TänzerInnen ansonsten parallel in Oldenburg und Bremen produzieren, riss das Publikum am Schluss tatsächlich von den Stühlen.

Dabei ist jedes für sich genommen beeindruckend: Etwa das geradezu akrobatische Trio von Tomas Bünger, Sunju Kim und einer Kiste, die sich in wilden Wirbeln über die große Bühne des Goetheplatzes bewegen. Oder die slapstickhafte Ess-Performance, in deren Verlauf ein Tisch gedeckt, gespeist und alles wieder abgeräumt wird. Zeitraff-Effekte unterstreichen die filmische Anmutung der Szene, die TänzerInnen meistern die wechselnden Tempi mit traumhaft sicherem Zeitgefühl. Schnitt – und weiter.

Rami Be’er hält sich nicht mit Narration oder sonstigem geistigen Überbau auf, dafür sitzt jede Sequenz. Wie der martialisch anmutende Marsch aller 18 Nordwestler, der von einer scheinbar schwebenden Tänzerin konterkariert wird. Man ist wirklich beeindruckt von mancher so noch nie gesehenen technischen Fertigkeit etwa der Ex-Urs-Dietrich-TänzerInnen. Rami Be’er fordert sie in einer Weise, die es auch unter Martin Stiefermann, dem letzten festen Oldenburger Compagniechef, nicht gab.

Dass man sich die Augen reibt, liegt freilich nicht nur an der Leistung selbst. Sitzt man in einer Raritäten-Revue? Einer touristisch frequentierten Boulevard-Bühne? Warum muss Jae Won Oh mit einer purpurroten Unterhose über die Bühne hoppeln? Mit der Las Vegas-Haftigkeit der Produktion, dem extremen Auseinanderdriften von Einsatz und Ideenreichtum auf der einen Seite und Essenz auf der anderen, beweist die Nordwest-Compagnie ein geradezu überbordendes Maß an Publikums-Kompatibilität – ohne jedoch ein prägnantes Profil zu zeigen. Zum anderen spiegeln sich in der Choreografie getreulich die logistischen Rahmenbedingungen der Nordwest-Kooperation. Geprobt wird offenbar oft getrennt, denn abgesehen von den Tutti-Szenen verlaufen die Paargrenzen streng entlang der Hunte: Bremer tanzen mit Bremern, Oldenburger mit ihresgleichen.

Was die Einzelszenen natürlich nicht schlechter macht. Das collagige Konzept kommt diesem strukturellen Korsett entgegen: „with your eyes“ ist in weiten Teilen ein „Best of Rami Be’er“, der mit seiner Kibbutz Contemporary Dance Company weltweit Erfolge feiert. Jetzt also auch in Bremen. Die dezidierte Zusammenhanglosigkeit der Szenen, das Prinzip Wundertüte findet seine passende Schluss-Pointe in einem nackten Po: Christian Setién lässt die Hosen runter. Das sieht gut aus. Spot on, spot off. HENNING BLEYL

Weitere Termine in Bremen: 7., 12., 16., 23., 31. 5. sowie 6., 17. 6.