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Schöne Bremer Welt: Der Krisenbewältigung im Fall Klasnic folgte ein 2:0 über Cottbus. Özil glänzte, und Schaaf setzte spät auf die richtigen Stürmer

AUS BREMEN FRANK HELLMANN

Die Szenerie dieses sonnigen Nachmittags an der Weser erinnerte an legendäre Europapokalabende. Partout wollten die Profis von Werder Bremen nicht in die Kabine hetzen, sondern sich den Ovationen des Publikums hingeben. So passierte nach Schlusspfiff das, was im Weserstadion eigentlich nur geschieht, wenn Barcelona oder Real gastieren: Die Kicker schritten mit erhobenen Händen an den Tribünen entlang, und die Besucher spendeten stürmischen Beifall.

Selten ist ein Bundesliga-Sieg in Bremen diese Saison mit solch einer Klatschparade bedacht worden wie das nur vordergründig schmucklose 2:0 gegen Energie Cottbus, das die eingewechselten Stürmer Markus Rosenberg und Hugo Almeida spät sicherstellten. Sogar aus dem so besonnenen Trainer Thomas Schaaf brach es zwischenzeitlich heraus: Als dem Schweden mit seinem zwölften Saisontor das 1:0 gelungen war, ballte der 47-Jährige die Fäuste und sprang von der Bank. „Da musste die Freude raus, nachdem wir vorher so viele Möglichkeiten vergeben hatten.“

Erleichterung allerorts. Denn wie verdient der Erfolg gegen die ultradefensiven Lausitzer war, offenbarte die Statistik. 27:4 Torschüsse, 10:2 Ecken, 37:11 Flanken und 71 Prozent Ballbesitz für die Bremer zeugten von einer seltenen Einseitigkeit. Und einmalig, dass der überragende Energie-Torwart Gerhard Tremmel gar die meisten Ballkontakte (59) auf Gästeseite hatte. „Wir hatten viel zu viel Angst“, erklärte Tremmel geknickt. Werder hingegen hat – ungeachtet der schwierigen Auswärtsspiele in Hamburg und Leverkusen– die Vizemeisterschaft fest im Visier. Meister der Krisenbewältigung ist der Klub schon.

„Wenn wir unsere Aufgaben weiter so erfüllen, können die anderen machen, was sie wollen“, tönte Torsten Frings, den nicht einmal sonderlich wurmte, dass er sich kurz vor Schluss eine ziemlich törichte Gelbe Karte einhandelte. Nun fehlt der 31-Jährige ausgerechnet im Nordderby am Mittwoch beim Hamburger SV. „Ich habe das ganze Jahr gefehlt, dann schaffen die Jungs das jetzt auch.“ Typisch Frings, typisch Werder.

Kaum ein Klub ist in der Problemverarbeitung so professionell wie dieser Verein. Woanders hätte eine Causa wie die des nierenkranken Ivan Klasnic zu selbstzerstörerischen Prozessen geführt, die spätestens nach dem Talkshow-Auftritt Klasnic’ entweder den Vereinsarzt oder den Stürmer um den Job gebracht hätten. Was aber geschieht an der Weser? Am Mittwoch fünfstündige Krisensitzung, verkündeter Burgfrieden – und am Samstag lief der Angreifer wie selbstverständlich beifallumrauscht in der Anfangself auf. Doch Sympathiebekundung schützt vor strenger Leistungsbewertung nicht: Weil der 28-Jährige bis auf zwei Szenen genauso enttäuschte wie Kollege Boubacar Sanogo, vollzog Schaaf nach 56 Minuten den Doppeltausch im Sturm – und wechselte mit Rosenberg und Almeida prompt den Sieg ein. Sie schossen Werders Jokertore zehn und elf der Saison.

Klasnic („Ich habe mich nur auf Fußball konzentriert“) nahm das als fairer Verlierer hin: „Der Trainer hat zwei rausgenommen und zwei reingebracht, und beide haben getroffen.“ Ende der Ansage, Abgang des Nebendarstellers. „Frischen Schwung“ habe er bringen wollen, sagte Schaaf später, während Klaus Allofs weiter ausholte: „Unsere vier Stürmer geben sich nicht viel – die sind alle gut, da ragt keiner raus. Viele Bundesligisten wären froh, wenn sie Almeida oder Rosenberg auf der Bank hätten.“

Oder einen Mesut Özil. In Abwesenheit des angeschlagenen Spielmachers Diego schwang sich der 19-Jährige zu seiner besten Leistung im grün-weißen Dress auf. Couragiert und konzentriert, pfiffig und listig trieb der Deutschtürke das Spiel an und bekam ein Sonderlob vom Trainer: „Bremen lernt ihn erst jetzt kennen“, sagte Schaaf und prophezeite: „Er ist ein großartiger Fußballer mit viel Talent. Da kann etwas heranwachsen.“