Oje, das Zäpfchen

Beim Zahnarzt (3)

Bill Murray ist ziemlich witzig. Leider kann ich nicht über ihn lachen, weil mein Mund in merkwürdig verrenkter Weise offen steht und mir Spucke abgesaugt wird. Ich will den Sauger nicht lachend verschlucken, darum reiße ich mich zusammen.

Mein Zahnarzt ist ziemlich teuer. Meine Krankenkasse hat schon lange aufgegeben, seine überhöhten Rechnungen zu bezahlen. Ich gehe trotzdem weiter hin. Er hat einen guten Filmgeschmack. Während der Behandlung bekommt man eine Art Brille aufgesetzt, auf der ein Film abläuft. Das hat zum Ziel, dass man die bedrohlich vermummten Gesichter des Zahnarztes und seiner Helferin nicht mehr sieht und sich stattdessen mit Bill Murrays wesentlich ausdrucksstärkerer Gesichtsmimik befassen kann. Mein Zahnarzt hat seine Filmdatenbank in „melancholisch, „lustig“, „für Kinder“, „für Erwachsene“ und „neutral“ unterteilt. An die Rubrik „für Erwachsene“ habe ich mich noch nie herangewagt.

Heute hab ich mich sofort für „lustig“ entschieden, weil ich dachte, bei dem, was er mit mir vorhat, hilft nur Humor. Dabei habe ich nicht bedacht, dass ich mich nun nicht nur vor lauter Angst und Schmerzen verspanne, sondern auch, um das heraufsteigende Lachen zu unterdrücken. Mein Zwerchfell spielt verrückt. Als Bill Murray gegen den immer schneller werdenden Stairmaster kämpft (und verliert), gebe ich auf. Mein Zwerchfell gewinnt die Überhand, ich lache gurgelnd. Der Sauger verrutscht, gerät hinten in meinen Hals und saugt sich dort an meinem Zäpfchen fest. Bis die erschrockene Helferin ihn lösen kann, ist das Zäpfchen fast abgerissen. Nächstes Mal werde ich mich für „melancholisch“ entscheiden.

SANDRA NIERMEYER