IM RENTEN- UND STEUERSTREIT HAT DIE CSU AN EINFLUSS VERLOREN
: Die Macht am Rhein

Wer die tieferen Gründe für die Krise der CSU erfahren wollte, der musste gestern nicht nach München schauen, sondern nach Berlin. Dort mühten sich die CDU-Gremien sich um einen fein ziselierten, wenn auch wenig substanziellen Rentenkompromiss mit dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers, während CSU-Chef Erwin Huber mit seinem Steuerkonzept kühl abblitzte. Damit war so greifbar wie nie, was sich schon seit Längerem abzeichnete: Der Niedergang der Christsozialen begann bereits am 22. Mai 2005 – dem Tag, an dem Rüttgers die Wahl in Nordrhein-Westfalen gewann.

Zuvor war Bayern stets das größte unionsregierte Bundesland gewesen. Bundestagswahlen konnte die Union nur mit bayerischer Hilfe gewinnen, wichtige Bundesratsbeschlüsse nur mit Vorlagen aus bayerischen Ministerien herbeiführen. Doch die Epochenwende, die der Düsseldorfer Machtwechsel bedeutete, ging damals im Lärm der Schröder’schen Neuwahlverkündung unter.

Jetzt zeigt sich die Verschiebung der Gewichte. Die Einwohnerzahl Nordrhein-Westfalens übertrifft diejenige Bayerns um die Hälfte, selbst das Bruttoinlandsprodukt liegt um ein Viertel höher. Düsseldorf war einst das Bollwerk der SPD im deutschen Föderalismus, München die Bastion der Union. Fundiert durchgerechnete Unionsvorlagen kommen nun auch aus den Ministerien am Rhein – nicht nur bei der Rente, sondern zum Beispiel auch auf dem Gebiet der Integrationspolitik. Mehr noch: Weil Rüttgers in den CDU-Gremien sitzt, ist er weniger leicht zu ignorieren als die Bayern.

Die Querelen um die Absetzung Edmund Stoibers und die angebliche Unfähigkeit des neuen Parteichefs Huber sind nicht die Ursache der CSU-Krise, sondern eine Folge der neuen Konstellation. Dass sich Stoiber bei seinen Ambitionen auf ein Berliner Ministerium so unentschlossen zeigte, hatte seine Ursache weniger in einem charakterlichen Defekt, sondern eher in einem guten Gespür für eine gewandelte Situation. Als Stoiber seine Ansprüche für die Hauptstadt angemeldet hatte, war die Geschäftsgrundlage noch eine andere gewesen. Dieser Mechanismus holt nun auch Huber ein. RALPH BOLLMANN