Und wer macht den Abwasch?

Für die kleinen, unabhängigen Plattenfirmen spielt Konkurrenz oft keine Rolle, dafür können sie von gegenseitiger Unterstützung profitieren. In Hamburg haben sich deshalb sieben Labels zur „Label WG“ zusammen geschlossen

VON KLAUS IRLER

Andere Plattenfirmen gründen eine GmbH. Oder eine KG. Auch eine AG wäre denkbar. Wenn sich verschiedene Plattenfirmen aber in einer WG zusammenzutun, ist das im Haifischbecken der Musikindustrie etwas Neues. Neu und gleichzeitig nostalgisch: Die Wohngemeinschaft, das klingt nach Studienzeiten, nach Ausprobieren und Ausschlafen und nach Freiräumen, von denen Profis meist sagen, die hätten sie nur zu Studienzeiten gehabt.

Nun sind die sieben Hamburger Labels, die die „Label WG“ gegründet haben, allesamt Profis: Mit dabei sind die Labels Affairs Of The Heart, Audiolith. Rec., BB Island, Buback Tonträger, Crunchy Frog, Devil Duck Records und Stickman Records. Die Labels widmen sich unterschiedlichen Musikrichtungen und sind mit zwischen drei und acht Veröffentlichungen pro Jahr alle kleine Labels mit hoher persönlicher Leidenschaft für die Musik, die sie veröffentlichen.

Mit der WG wollen die Labels sich für die neuen Zeiten besser aufstellen: Die Label WG ist ein loser Bund von Individualisten, die sich gegenseitig unterstützen wollen. Dazu gehört vor allem das Marketing: Bereits erschienen ist eine Label-WG-CD mit Beiträgen von allen Labels, außerdem gibt es kommendes Wochenende in Hamburg mehrere Konzerte von Label-WG-Bands. Daneben gehört allerdings auch das gepflegte Gespräch zum WG-Leben, das Gespräch unter Kollegen, die sich darüber austauschen, wie es läuft in der Branche.

Denn das Geschehen auf dem Musikmarkt ist unübersichtlich. Da ist zum Beispiel die Krise der Tonträger, verursacht von Internet-Downloads: Einerseits heißt es immer, die Tonträgerkrise treffe nur die großen Mainstream-Plattenfirmen, andererseits sagt Jörg Tresp von Devil Duck: „Ich glaube nicht, dass die Independent Labels das weniger merken.“ Eine Nische zu bedienen ist nur für einige wenige Labels eine Lösung.

Der Tonträger-Krise gegenüber steht der Boom im Live-Geschäft, aber auch das ist keine einfache Angelegenheit. Die kleinen Labels können in der Regel nicht von ihren Platten-Veröffentlichungen leben und arbeiten deswegen auch als Booking-Agenturen. Dadurch „wird der Live-Markt nach und nach zu voll“, sagt Jan Schewe von Affairs of the Heart – das Angebot übersteigt schlicht die Nachfrage. Außerdem bedeuten ausverkaufte Konzerte von Stars nicht, dass „auch die Clubs mit den kleinen Indie-Bands immer rappelvoll sind“, sagt Friedericke Meyer von Buback.

Worauf also alle kleinen Labels mindestens so wie die großen angewiesen sind, das ist die Präsenz in den Medien. Und diese verändern sich rasant: Die Rolle des Internets ist nicht nur für Verleger schwer einzuschätzen, auch PR-Arbeiter müssen sich Gedanken machen, wie sie wo vorkommen sollten. Die Label WG hat ein Blog ins Internet gestellt, in dem die Beteiligten der sieben Labels ihre Arbeit und ihren Alltag in der Hamburger Musikszene darstellen wollen. Das Blog ist ein zentraler Aspekt der WG, ein Versuch, gemeinsam mehr Aufmerksamkeit zu erregen als alleine und das auf dem Wege des Tagebuchs: Die Labels wollen dadurch neben dem musikalischen auch ein persönliches Profil gewinnen.

Klar ist aber: Die Label-WG ist ein Ort, an dem die Beteiligten für sich stehen, im Unterschied zur Familie. Keinesfalls soll aus den sieben Labels eines Tages ein einziges werden. Gleichzeitig aber ist die WG keine reine Zweck-WG sondern eine, in der die Mitglieder sich auch jenseits der praktischen Abläufe etwas zu sagen haben.

Also doch eher eine idealistische WG alter Schule. Und im Kontext des Musikgeschäfts, „ein Teil des Wandels“, sagt Jan Clausen von Crunchy Records. Es ist eine Idee, wie sich die kleinen das Leben leichter machen können. Clausen: „Wir haben in der WG viel Platz. Das ist ein offenes Gebilde.“

www.labelwg.blogsport.de Label-WG-Konzertwochenende in Hamburg: 8.5. Grüner Jäger: Bratze-Releaseparty + Captain Capa 9.5. Fundbureau: Björn Kleinhenz 9.5. Hafenklang: The Others aka 22 Pistepirkko 10.5. Michelle Rec./12 Uhr: Die LabelWG stellt sich vor + Björn Kleinhenz 11.5. Grüner Jäger: Monochrome,danach DJ Manni Fest + Crunchy Jan