Pädagogen sind frustriert

10.000 Lehrer demonstrieren in Hannover gegen die Schulpolitik in Niedersachsen. Die Pädagogen sind frustiert: Sie verlangen Rechtssicherheit für ihre Überstunden und klagen über Mehrarbeit

VON KAI SCHÖNEBERG

Kultusministerin Elisabeth Heister-Neumann steht unter einem Plakat mit der Aufschrift „Es reicht, Herr Wulff“ und wettet mit Jürgen Hoffmann um eine Flasche Sekt: Sicher werde Hoffmann, Deutsch- und Geschichtslehrer von der Haupt- und Realschule in Remlingen, eines der Angebote annehmen, die sie im Überstundenstreit gemacht hatte. Doch der Lehrer bleibt skeptisch: „Wir wollen erst mal sehen, was da umgesetzt wird.“

CDU-Politikerin Heister-Neumann hat sich an diesem Maitag unter die Demonstranten gemischt, die gegen ihre Politik protestieren: 10.000 Lehrer sind nach Angaben der Veranstalter nach Hannover gekommen. Es geht um die Mehrarbeit, aber auch um die ganzen anderen Zumutungen der Politik für die Lehrer. „Wir sind keine Leibeigenen“, sagt Maria Castro, die Spanisch- und Biologielehrerin an der Schiller-Schule in Hannover. Ihre Kollegin Heike Schlie schimpft über die Größe ihrer Leistungskurse: „Die Korrektur einer Abiturarbeit dauert vier bis fünf Stunden, ich hab 23 davon.“

Pfeifen trillern, Rasseln scheppern, GEW-Fahnen und Spruchbänder mit der Aufschrift „Dreist, Dreister, Dreister-Neumann“ oder „Gebrochene Versprechen sind gesprochene Verbrechen“ werden geschwenkt. Protestler tragen einen Pappsarg mit der Aufschrift „Hier ruht die Bildung“.

Die Frust der Pädagogen ist gewaltig – und das, obwohl Heister-Neumann den Rückzug angetreten ist. Noch Mitte April hatte sie vorgeschlagen, das Abfeiern von 410.000 Überstunden, das nach einer Vereinbarung von 1998 ab August beginnen sollte, auf die Zeit kurz vor die Pensionierung zu verschieben. Am vergangenen Dienstag, Lehrerverbände und Gewerkschaften hatten über den „Vertrauensbruch“ gewütet, ruderte sie zurück: Nun können die Lehrer per Antrag die Mehrarbeit doch ab kommendem Schuljahr abbummeln. Wer das um vier Jahre verschiebt, bekommt „Zinsen“.

„Das ist bislang nur ein Vorschlag durch die Zeitung“, sagt Gerhard Wetzlitschke vom Göttinger Otto-Hahn-Gymnasium. Auch er verlangt Rechtssicherheit, so wie die Band auf der Bühne den Udo-Jürgens-Song gerade umgedichtet hat: „Der Kabinettsbeschluss wird gekippt – in diesem ehrenwerten Haus“, also im Landtag. „Seit zehn Jahren“ hätten sich seine Arbeitsbedingungen „deutlich verschlechtert“, sagt Wetzlitschke. Bei Urlaubs- und Weihnachtsgeld sei gekürzt, dafür die Klassengröße von 28 auf 32 erhöht worden: „Ein Graus“.

Grausig mag auch Karl-Heinz Klare seinen Demo-Auftritt finden. Der Bildungsexperte der CDU-Fraktion will die neue Regelung erklären und wird von Pfiffen unterbrochen. Klare versucht zu argumentieren, aber er dringt nicht durch, und jemand ruft: „Oberspinner!“