Wärme gesund ableiten

Flachs-Dämmstoff ist eine wenig genutzte Alternative zu konventionellen Isolierstoffen – trotz gesundheitlicher und praktischer Vorteile. Das Haupthindernis: Die höheren Kosten für Häuslebauer

VON DANIEL KUMMETZ

Die Dachkammer ist Ausdruck des ersten Ausbauwillens, Reserveraum für unerwarteten Nachwuchs oder die Grundlage für ein Mietnebenverdienst. Aber auch ein Beispiel für die Anwendung von Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen. In Deutschlands Durchschnittsdachkammer befinden sich zwischen Dachziegel und Tapete Mineral-, Glasfaser- oder Kunststoffschäume. „Herkömmliche Dämmstoffe halten den Wärmedurchlauf an heißen Sommertagen allerdings nur begrenzt auf“, sagt René Bornkessel, Architekt und Berater der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe (FNR). Sie unterstützt im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums die Forschung und Markteinführung von Bio-Materialien. Zum Beispiel Flachs. „Flachs speichert Wärme und gibt sie später ab“, sagt Bornkessel. Das ist für einen Bio-Dämmstoff nützlich. So erhitzt sich eine Dachkammer mit pflanzlicher Isolierung nicht so schnell wie eine mit künstlicher Isolierung.

Pflanzliche Dämmstoffe könne auch aus Holzfasern, Zellulosen oder Hanffasern bestehen. Sie bieten – wie Flachsfaser-Isolierungen – den Vorteil, dass sie gesünder sind. „Die Fasern anderer, mineralischer Dämmstoffe sind lungengängig“, sagt Bornkessel. „Baubiologen gehen davon aus, dass sie dann hoch krebserregend sind.“ Doch völlig chemiefrei sind auch die Biodämmstoffe nicht. Sie sind mit Brandschutzmittel vorbehandelt. Allerdings gelten die oft verwendeten Bor-Verbindungen als ökologisch vertretbar.

Außer im Dach können Flachs-Dämmstoffe auch an Wänden und Zwischendecken eingesetzt werden. Erdkontakt empfehlen die Experten von der FNR allerdings nicht. Diese Materialien sollten also nicht bei Kellerbauten verwendet werden. „Die Gefahr, dass die Bio-Dämmstoffe dort anfangen zu faulen, ist zu groß. Schließlich gibt es schwankende Grundwasserpegel“, sagt Bornkessel.

Derzeit halten die konventionellen Baustoffen einen 95-prozentigen Anteil am hiesigen Dämmstoffmarkt. Das hat vor allem einen Grund: den hohen Preis. So kosten Dämm-Vliese oder Isolierplatten aus Biomaterial nach einer Erhebung des FNR zwei- bis dreimal so viel wie solche aus Kunststoffen oder Glasfaser. Auch sind sie nicht leicht zu beschaffen: Die umweltfreundlicheren Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen werden nicht in Baumärkten angeboten, sondern müssen direkt beim Hersteller oder über Naturbaustoffhändler bezogen werden.

Welcher der Bio-Dämmstoffe nachgefragt wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab: „Oft richtet es sich nach der Herkunft des Bauherrn“, sagt Bornkessel. Im Süden werde wegen der vielen Wälder eher Holzfaserplatten genutzt, im Norden sei durch großflächige Felder eher der Hanf- oder Flachsanbau vertreten. Doch die 5.000 Jahre alte Kulturpflanze Flachs, auch bekannt als „gemeiner Leinen“ zählt bauphysikalisch zu den besseren Naturbaustoffen: Die Pflanze trägt natürliche Bitterstoffe in sich, die sie gegen Schädlingsbefall durch Insekten und Nagetiere resistent machen. Weiteres Plus: Dämmstoffe aus Flachs gelten als formbeständig und verarbeitungsfreundlich. Das Isoliermaterial kann auch genutzt werden, um Schall abzuhalten. Günstig für die Umwelt ist bei allen pflanzlichen Dämmstoffen, dass ihre Produktion weniger energieintensiv ist als die der konventionellen.

Infos bei der FNR: 03843 / 693 01 80 oder www.natur-baustoffe.info