ortstermin: die bremer swb-mitarbeiter eröffnen ihr eigenes Sonnenkraftwerk
: Privater Aufbruch ins solare Zeitalter

Zahlreiche Schilder weisen den Weg nach „Vitalien“. Das ist ja mal ein hübscher Name für so ein Dachkraftwerk, denkt man, munter der Eröffnung entgegen strebend. Doch „Vitalien“ biegt zur Unzeit ab, entpuppt sich als Betriebskantine der Bremer swb, der längst privatisierten Stadtwerke. Zu den Solarzellen muss man, irgendwie logisch, bis ganz nach oben.

Auf der Dachterrasse also trifft sich Bremens Energie-Elite. „Wie ist die Leistung?“, fragt einer, „null“, sagt der andere. „Null?“ „Null. Sie haben das jetzt nicht gehört“, wird der vorbei streunende Reporter instruiert. „Nein, nein“, nur mitgeschrieben. Aber wer will an diesem heißen Tag schon etwaigen Energieskandalen und Kraftwerk-Kollapsen hinterher hecheln? Vom Dach aus kann man etwas viel Interessanteres bestaunen: Deutschlands erstes Belegschafts-Kraftwerk.

Dass Taxifahrer auch mal privat ins Auto steigen und Redakteure Texte nach Feierabend schreiben, ist bekannt. Aber warum machen swb-Leute auch in ihrer Freizeit Strom? „Weil wir einen Beitrag zur klimafreundlichen Energieerzeugung leisten wollen“, sagt Dirk Unglaube von der Kollegen-GbR. Zwar produziert die eigene Firma keinen Sonnenstrom, doch immerhin hat die swb die Dächer gestellt, auf denen sich die MitarbeiterInnen nun ökologisch austoben.

Umweltsenator Reinhard Loske von den Grünen findet das „vorbildhaft“, aber um das öffentlich kundzutun, muss er den hirnschonenden Schatten verlassen. Unter sengender Sonne lobt Loske den „Geist des Aufbruchs in das solare Zeitalter“, den die swb „auch bei der Unterstützung des Weserkraftwerks gezeigt“ habe. Inwiefern selbiges „solar“ ist, bleibt Loskes Geheimnis, aber in der Tat hat sich die swb kürzlich mit einem Überraschungs-Coup in das seit langem geplante Kraftwerk eingekauft. Nach Fertigstellung soll es ein knappes Prozent zum Gesamtoutput beitragen.

Jetzt ist der Finanzvorstand an der Reihe. Er hat selbst auch eine Sonnenkraftwerk-Einlage gemacht, „schließlich rechnet sich das Ding saugut“, zumal wenn „der Sommer so affenartig“ werde. Über derartiges Vorstands-Vokabular mag man sich wundern, in der Sache hat der Mann recht: Die 185.000-Euro-Investition der insgesamt 40 MitarbeiterInnen, akquiriert quer durch alle Hierarchie-Ebenen, verspricht eine reelle Rendite, versorgt 17 Haushalte und spart jährlich 32 Tonnen Kohlendioxid. Warum also dürfen die KollegInnen nicht auch während ihrer Arbeitszeit in Photovoltaik machen?

„Wir müssen Klotzen, nicht Kleckern“, sagt Vorstandschef Willem Schoeber mit seinem charmanten Rudi Carrell-Akzent. Um bis 2020 einen 20-prozentigen Anteil erneuerbarer Energie zu erreichen – derzeit liegt er bei 2,1 Prozent – setzt der Niederländer vor allem auf Wind, Biomasse und Müll. Letzterer sei schließlich auch ein „nachwachsender Rohstoff“. Sein Brandenburger Landhaus will er aber auch lieber mit Solarzellen decken. HENNING BLEYL