: Brennpunkt Borneo
Die Palmölproduktion verändert Besitzverhältnisse, schafft Abhängigkeiten und ist eine ökologische Katastrophe
Simbullu könnte ein Ort sein, der in einem touristischen Katalog als lohnenswertes Reiseziel durchaus Vermarktungspotenzial hätte. Zumindest bis vor kurzem. An einem schönen See gelegen und von artenreichen Tropenwäldern umgeben, leben hier 400 Familien im indonesischen Teil Borneos in Kalimantan. Die Menschen arbeiten als Farmer, Jäger, Landwirte und Schreiner. Jeder konnte sich mit fleißiger Arbeit ein Einkommen erwirtschaften und seiner Familie einen angenehmen Lebensstil ermöglichen.
Vor fünf Jahren kamen dann die Herren eines großen Konzerns aus Malaysia und brachten die Menschen dazu, ihr Land an sie zu verkaufen. Dabei wurden ihnen 45 Rupien pro Quadratmeter Wald gezahlt. Nun muss man wissen, dass man, um in Indonesien ein Lutschbonbon kaufen zu können, ungefähr 100 Rupien bezahlen muss. Alles im Leben dieser Menschen hat sich seither geändert. Ungefähr hundert von ihnen haben in der Plantage des Konzerns Arbeit gefunden. Sie bekommen 2,50 Dollar am Tag. Das reicht aus, um die Familie satt zu bekommen und die Kinder in die Schule zu schicken – für mehr aber nicht.
Durch die Plantage, für die hier in den vergangenen fünf Jahren fast 50.000 Hektar Wald verbrannt wurden, sind viele Berufe gar nicht mehr möglich, und das ist gleichzeitig eine ökologische Katastrophe. Es ist nicht mehr genügend Land da, um Nahrungsmittel anzubauen, die Flüsse sind vergiftet, nur noch reiche Menschen können sich Fleisch leisten, da keine Tiere mehr zum Jagen vorhanden sind, und im Hafen verrotten die halbfertigen Segelboote, da das Holz fehlt, um sie fertigzubauen. Ein fast schon perfider Anblick, bedenkt man, wo man sich befindet.
Simbullu ist ein Beispiel dafür, wie es momentan vielen Dorfgemeinschaften auf Borneo und Sumatra ergeht. Millionen Hektar Tropenwald müssen Ölpalmplantagen weichen. Vielfalt weicht Monotonie, Lebensgrundlagen werden zerstört für kurzfristigen Gewinn einiger weniger Mächtiger. Auslöser dafür ist ein Paradoxon, wie es nur das Leben selbst erfinden kann: Die Industriestaaten nehmen endlich den von Menschen gemachten Klimawandel ernst.
Doch Halbwissen verursacht Aktionismus, der bösartige Rückkopplungen mit sich bringen kann. Viele Staaten haben Quoten eingeführt, durch die der Gebrauch von Biokraftstoffen gefördert werden soll. Damit wir umweltfreundlich durch die Gegend fahren können, werden, Millionen Hektar Regenwald vernichtet. Was wir beim Gebrauch von Biodiesel an CO2-Ausstoß einsparen, wird auf Borneo und Sumatra tausendfach durch die Vernichtung der Wälder in die Luft geblasen. Im Laufe der Jahrmillionen haben sich hier bis zu 18 Meter dicke Torfschichten gebildet, in denen Milliarden Tonnen CO2 gebunden sind. Indem wir diese Wälder verbrennen, schwelen diese Böden oft monatelang vor sich hin und setzen nach und nach riesige Mengen an Treibhausgasen frei, mit verheerenden Folgen für unser Weltklima.
Ich habe auf der Plantage gestanden. Ich habe die Bäume fallen sehen und habe versucht, die Dimension dieser Zerstörung zu begreifen. Der aufwühlendste Moment war, als ich einen Affen sah, der sich auf eine der letzten Bauminseln zurückgezogen hat, ohne jede Fluchtmöglichkeit, ohne die geringste Chance aufs Überleben.
Als Naturfotograf ist man immer versucht, die Schönheit dieser Welt zu dokumentieren und die unschönen Dinge auszublenden. Das ist mir seit einigen Jahren nicht mehr möglich, zu viel Leid und Zerstörung habe ich in meinen Jahren als Reisefotograf erlebt. Wer heute noch wegschaut, macht sich mitschuldig am Niedergang unseres Planeten.Wir müssen Menschen wieder für die Natur begeistern und ihnen aufzeigen, dass noch genügend vorhanden ist, für das es sich zu kämpfen lohnt.
Aber auch klare Worte und Wahrheiten sind bald notwendig, sonst wird es keine Orang-Utans mehr Wildbahn geben, weil wir, um unser Umweltgewissen zu beruhigen, deren Lebensraum einfach weggetankt haben.
MARKUS MAUTHE
Der Autor ist gelernter Fotograf und arbeitet als Referent und Buchautor für die Ziele der Umweltorganisation Greenpeace. Infos unter www.markus-mauthe.de
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen