Sauna mit Hafenblick

Der Hafengeburtstag hat ein Partnerland. Doch wo versteckt sich dessen kulturelle Präsenz neben Bier-, Bockwurst- und Jahrmarktsbuden? Eine Spurensuche, die bei Tango und Sauna endet

VON DANIEL KUMMETZ

Das Mädchen breitet seine Arme aus, merkt wie das Brett unter ihr wackelt, sich auf und ab bewegt. Sie reagiert, verlagert ihr Gleichgewicht, bleibt stehen. Diese Bewegungen sollen Wellen sein, das Plastikbrett, auf dem sie balanciert, ein Surfbrett. Doch um sie herum ist kein Meer, noch nicht mal die Elbe, sondern nur ein aufblasbarer Swimmingpool, mitten im Hafengeburtstagstrubel.

Im Hintergrund: der Lärm des Volksfestes. Grölende Menschenmassen, knatternde Hubschrauber und trötende Schiffe. Und die rockige Popmusik des Simulator-Betreibers, sie soll gute Laune machen. Sie spielen „Zombie“ von den Cranberries. Ein Lied über den Nordirlandkonflikt. Während das Mädchen fröhlich lachend mit ihrem Gleichgewicht spielt, zeigt ein Bundeswehr-Hubschrauber über der wenig entfernten Elbe, wie dynamisch er fliegen kann. „With their tanks and their bombs and their bombs and their guns In your head in your head they are dyin’“, dröhnt aus den Lautsprechern des Gute-Laune-Senders. Später werden sich schwer bewaffnete Soldaten aus den Maschinen auf Schiffe abseilen und das Entern eines terroristischen Schiffes demonstrieren.

Es ist ein ganz normaler Hafengeburtstag. Windjammerparaden, Schlepperballett, Bundeswehr-Werbung und natürlich Jahrmarkt-Stimmung. Die Veranstalter erwarteten über eine Million Menschen. Die Polizei vermeldete noch am Wochenende die erste Messerstecherei mit tödlichem Ausgang (siehe Bericht unten).

Den endlosen Sommer bewerben die Sonnenschirme am Surf-Simulator – es ist ein ganz normaler Werbespruch eines Autohändlers und kein Tribut an die langen Sommernächte in Finnland, dem Partnerland des 819. Hafengeburtstags. Auch wenn das vielleicht schlüssiger wäre. Doch die Partnerschaft ist gut versteckt, der Hafengeburtstag keine Mottoparty, und so muss man sich den Finnland-Bezug herbeiwünschen: Der blau-weiße Surf-Simulator taugt da nicht. Auch der Bier-Partner kommt nicht aus Finnland, sondern aus Friesland.

Die erste weiße Fahne mit dem blauen Kreuz hängt ein paar hundert Meter weiter, auf einem Hau-den-Lukas-Stand, etwas versteckt zwischen den zahlreichen Jahrmarktsbuden. Doch sie ist klein und neben ihr flattern ein gutes Dutzend weitere Deko-Fahnen allerlei Nationen. „Diese Veranstaltung ist ein Irrenhaus und das ist ihr Zentrum“, steht auf einem Schild an dem kleinen Stand.

Etwas abseits, vielleicht 500 Meter vom Wasser entfernt, ist mehr vom Hafengeburtstags-Partner Finnland zu spüren. Im Haus der finnischen Seemannsmission geht ein Kinderfest zum Spektakel zu Ende. Ein paar Gäste genießen Kaffee und Kuchen, lesen eine Zeitung aus Helsinki oder lassen ihre Kinder schminken. Über dem Zeitungsregal hängt ein schwarz-weißes Porträt der finnischen Staatspräsidentin Tarja Halonen. Sie war am Geburtstagswochenende in Hamburg, hat die deutsch-finnische Freundschaft beschworen, auch in der Seemannskirche.

Gegenüber der Kuchentheke steht der Finnlandshop: T-Shirts in Nationalfarben, finnische Lakritz-Spezialitäten, Souvenirs. In den Kühlschränken lagern Bier und Brot aus Finnland. Auch Postkarten gibt es: Von dem Haus selbst und von finnischen Frachtern. Das Fest stand nicht im offiziellen Programm des Hafengeburtstages, entsprechend ruhig ist es hier.

Sogar ein eigenes Finnland-Festival gibt es am Hafengeburtstag, zu finden ist es an der Kehrwiederspitze. Es ist so etwas wie das Ghetto für alles Partnerländische. Hier gibt es Honig aus Finnland, zwei Stände mit finnischem Bier und Vodka-Mischgetränke. Neben den Zelten, in denen für Urlaub in Finnland geworben wird, findet sich wieder die finnische Seemannsmission – sie verkauft Sauna-Würste nach finnischem Rezept.

„Noch zwei Minuten“, schallt es ein paar Meter weiter. Zwei Fernseh-Reporter machen sich zur Live-Schaltung bereit. Sie haben etwas Finnisches gesucht und sind bei einer finnischen Sauna gelandet. Ein Händler von finnischen Möbeln hat die Fläche gemietet, und so sieht es aus wie auf der Außenfläche eines Baumarkts: Gartenschaukeln stehen neben Holzfackeln, ein Außenwhirlpool und eben die Saunen. In so einer sitzen die Reporter nun, er in Badeshort, sie in Bikini, und warten auf das Kommando des Aufnahmeleiters.

Auch auf der Kehrwiederspitze hält sich das Gedränge in Grenzen, auch noch ein paar Stunden später, als die Tangonacht läuft. Eine handvoll Paare tanzen sich genießend umschließend über ein kleines Parkett. Höchstens fünfzig Menschen schauen zu.

Die Ankündigung des Partnerlandes auf den Hafengeburtstags-Plakaten war aber auch sehr zurückhaltend: Kleiner als jede andere Schrift, kleiner als jedes Sponsoren-Logo steht da der Hinweis „Partnerland Finnland“. Sie sind einfach zu bescheiden, diese Finnen.