Neue Regierung mit vielen alten Ministern

Russlands frisch gekürter Regierungschef Wladimir Putin legt seine Kabinettsliste vor. Die wenigen personellen Änderungen lassen darauf schließen, dass sich Putin die Kontrolle über die „Machtministerien“ sichern will

MOSKAU taz ■ Russlands neuer Premier Wladimir Putin ist in großer Eile. Am ersten offiziellen Arbeitstag nach seiner Bestätigung im Amt des Ministerpräsidenten legte Putin gestern dem frisch gekürten Kremlchef Dmitri Medwedjew die neue Kabinettsliste vor. Um die Mittagsstunde zum Rapport im Kreml erschienen, setzte sich der Premier auf jenen Stuhl, auf dem er als Präsident gesessen hatte. Präsident Medwedjew platzierte sich ihm gegenüber auf jenem Stuhl, der ihm als Vizepremier zugewiesen worden war. Die Symbolik sprach eine klare Sprache.

Revolutionäre Veränderungen fanden bei der Neubesetzung des Kabinetts auf den ersten Blick nicht statt. Zwei Drittel der Ministerien bleiben in den Händen der alten Minister. Auch in Schlüsselpositionen rücken zunächst keine neuen Kräfte nach. Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow, Außenminister Sergei Lawrow und Innenminister Raschid Nurgalijew bleiben im Amt. Expremier Wiktor Subkow wurde zum ersten Vizepremier ernannt, der sich um die Umsetzung nationaler Projekte und den Fischfang kümmern wird. Zum Vizepremier stieg auch der bisherige Präsidentenberater Igor Schuwalow auf.

Das Justizministerium, das zu den einflussreichen sogenannten „Machtministerien“ zählt, übernimmt Alexander Konowalow. Er gilt als ein enger Vertrauter Dmitri Medwedjews und ist der einzige, den der neue Kremlchef als „seinen Mann“ in der Regierung unterbringen konnte. Die bisherige graue Eminenz in der Kremladministration, Igor Setschin, übernimmt die Funktion eines Vizepremiers, der sich neben der Industrie- auch um die Atompolitik kümmern soll. Exgeheimdienstler Setschin ist ein Vertreter der Repräsentanten der Machtministerien. Unter der Ägide Putins koordinierte er die Kontakte des Expräsidenten zu den Geheimdiensten. Dass Putin Setschin zum Vizepremier machte, lässt darauf schließen, dass der Regierungschef die Kontrolle über die Machtministerien behalten will. Der Verfassung nach unterstehen die Ordnungs- und Sicherheitsstrukturen jedoch dem Präsidenten. Putin scheint darauf bedacht, dass sich die Macht nicht zu seinen Ungunsten verlagert. So machte er den FSB-Geheimdienstchef Nikolai Patruschew zum Leiter des Sicherheitsrates. Zu dessen Nachfolger ernannte er den Vize-FSB-Chef Alexander Bortnikow, dem größere Loyalität als Patruschew nachgesagt wird.

Die Leitung der Präsidialadministration im Kreml übernimmt der frühere Vizepremier Sergei Naryschkin. Er zählt zum innersten Kreis der Vertrauten Wladimir Putins aus Petersburger Zeiten. Ein pikantes Detail: Mit Kremlneuling Dmitri Medwedjew soll er sich nicht so gut verstehen. Offensichtlich ist dies der Grund, warum Premier Putin Naryschkin zum Leiter der Kremlverwaltung ernennen ließ. Es geht um Macht und Balance.

KLAUS-HELGE DONATH