Helgoland soll größer werden

Deutschlands Hochseeinsel leidet unter Einwohner- und Besucherschwund. Ein Hamburger Unternehmer will nun die Inselfläche aufstocken und mit Hotels bebauen, die aussehen wie Felsen. Die Verkehrsanbindung soll verbessert, Helgoland als Natur- und Wellness-Oase vermarktet werden

VON GERNOT KNÖDLER

Helgoland war schon einmal verödet. Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Felseninsel evakuiert, 1947 jagten die Briten die Südspitze mit fast 7.000 Tonnen Munitionsresten in die Luft. Jetzt droht erneut der Niedergang: Junge Leute ziehen weg, Gäste bleiben aus. Auf der Insel hat eine Diskussion darüber begonnen, wie die Zukunft der Gemeinde gesichert werden könnte. Den spektakulärsten Vorschlag hat der Hamburger Unternehmer Arne Weber vorgelegt: Er will die Hauptinsel durch ein Stück neu zu schaffendes Land mit der Düne verbinden. Die Fläche der Insel würde dadurch um mehr als die Hälfte vergrößert.

Weber will zwischen der Hauptinsel und der Düne eine Spundwand ziehen, auf deren Rückseite Sand aufgespült würde. Das ist ohne großen Aufwand möglich, weil wenige Meter unter der Wasseroberfläche der Sandsteinsockel liegt, auf dem die ganze Insel ruht. Seeseitig könnte die Spundwand durch eine Steinschüttung und ein künstliches Riff vor den Wellen geschützt werden. Eine Verbindung zwischen Hauptinsel und Düne hat bis vor knapp 300 Jahren existiert. Eine große Sturmflut hat sie damals weggerissen.

Der Quadratkilometer Neuland würde nach der Konzeptstudie von Webers Firma HC Hagemann das wirtschaftliche Überleben der Inselbevölkerung sichern. Er würde Platz schaffen für neue Hotels und Freizeiteinrichtungen und einen langen Strand.

Darüber hinaus sollte der Studie zufolge die Erreichbarkeit der Insel verbessert werden: Auf einem vergrößerten Flughafen würden Maschinen mit 30 bis 50 statt mit neun Passagieren landen. An einem verlängerten Kai sollen schlechtwettertaugliche Katamarane und Kreuzfahrtschiffe anlegen. Heute werden die meisten Gäste mit kleinen Booten – so genannten Börtebooten – vor der Insel ausgeschifft.

Die Autoren der Studie schlagen vor, Helgoland künftig als Öko- und Gesundheitsinsel zu vermarkten. Sie soll mit ihrem Vogelreichtum, ihren Robben und ihrer guten Luft wuchern und sich als CO2-freie Modellregion präsentieren.

Dass es Zeit ist zu handeln, ist auch den Helgoländern klar. „Wir sind uns einig, dass wir uns für die nächsten 20 bis 30 Jahre positionieren müssen“, sagt der Insel-Bürgermeister Frank Botter (SPD). Die Zahl der Gäste hat von 800.000 pro Jahr Anfang der 70er Jahre auf 300.000 im vergangenen Jahr abgenommen. Über Nacht blieben heute 1.600 pro Jahr statt ehemals 3.000, sagt der Hotelier Detlev Rickmers vom Wirtschaftsverband. Die Einwohnerschaft schrumpfte von 2.700 Anfang der 80er Jahre auf 1.300.

Die Wiederaufbaugeneration sei davon ausgegangen, dass Helgoland 2.500 Einwohner und 3.000 Übernachtungsgäste brauche, um überleben zu können, sagt Rickmers. Über Webers Initiative ist er froh: „Ich persönlich finde die Idee sehr gut“, sagt er. Helgoland könne Neuland gebrauchen, denn die Flächenansprüche der Einwohner und Touristen seien gewachsen.

Viele der in der Studie angesprochenen Themen werden schon seit Jahren auf der Insel diskutiert. So ist zum Beispiel der Bau eines längeren Kais, an dem auch konventionelle Schiffe direkt anlegen können, höchst umstritten. Fiele das Ein- und Ausschiffen vor der Küste wegen, würden 25 Börteboot-Fahrer arbeitslos.

Seit gut zehn Jahren gibt es Rickmers zufolge die Idee, die zerstörte Südspitze der Kontur nach wieder aufzubauen. Der Architekt Hans-Ulrich Roesler habe vorgeschlagen, am Rande des Sprengkraters ein Gebäude zu errichten, das dem früheren Felsen in Profil und Textur nachempfunden wäre. „Der Gedanke ist, Landschaft zu bauen“, sagt Rickmers.

Webers Vorschlag hat Helgoland in die Schlagzeilen und die Insel-Bewohner in Zugzwang gebracht. Nach der Kommunalwahl am 25. Mai wird sich der neue Gemeinderat mit der Studie befassen müssen. Bürgermeister Botter, der bis 2010 gewählt ist, agiert vorsichtig. Er wolle sehen, auf welcher Grundlage die Studie fuße. „Da muss man sehr sachlich rangehen“, sagt er.

„Der Masterplan ist eine gute Grundlage, über einen Sprung nach vorne nachzudenken“, findet Wolfgang Grimme, der Landrat des Kreises Pinneberg, zu dem Helgoland gehört. Als Erstes sei nun aber die Gemeinde am Zug.