Vom Vergessen eingeholt

betr.: „Fräuleinwunder blieb vergessen“, taz vom 5. 5. 08

Zu dem Artikel von Ansgar Warner sind einige ergänzende Bemerkungen nötig. Es geht um die Bücherverbrennung der Nationalsozialisten 1933.

Nun ist es gut und erfreulich, die beiden Bücher von Weidermann und Strohmeyer ausführlich besprochen zu sehen; in der Tat ist ja die Bücherverbrennung schon zu Beginn der nationalsozialistischen Terrorherrschaft das Ereignis, das den sofort danach einsetzenden Terror, der sich dann direkt gegen Menschen richtete, ahnen ließ. Richtig ist die Feststellung, dass die Bücherverbrennung auch in die Nachkriegsjahrzehnte fortwirkte, von wenigen bereits 1933 bekannten oder gar berühmten Autoren abgesehen blieben die „Verbrannten“ vergessen.

Doch der dies in einer gründlich recherchierten, mit Engagement und Herzblut geschriebenen klassischen Studie belegte, war Jürgen Serke, und sein Buch „Die verbrannten Dichter“ (1977) fand weite Verbreitung. Er hatte übrigens nicht das Ziel, alle seinerzeit betroffenen Dichter biografisch vorzustellen, machte aber den enormen kulturellen Verlust solcher Vergessenheit überdeutlich.

Serke ließ diesem Buch 1987 eine monumentale, bewundernswerte Erweiterung des Themas folgen, indem er die böhmischen Dichter deutscher Sprache in 47 Biografien wiederentdeckte („Böhmische Dörfer – Wanderungen durch eine verlassene literarische Landschaft“). Es erübrigt sich, zu sagen, dass die meisten auch der böhmischen Dichter mit dem Einmarsch deutscher Truppen 1939 zum Schweigen gebracht wurden, indem sie entweder umgebracht oder zur Emigration gezwungen wurden.

Ich bin nicht der Meinung, dass Serkes wichtige Beiträge so einfach ignoriert werden können, zumal das Thema im Beitrag breit behandelt ist und der Autor dann auch zu denselben Schlussfolgerungen kommt wie Jürgen Serke.

Es ist fast zu fürchten, dass der Autor des Beitrages diese klassischen Studien nicht kennt. Oder ist es das im Beitrag so bemühte Vergessen, das den Autor hier selbst eingeholt hat?

THOMAS KELLER, Frankfurt am Main

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