Der „Löwe“ setzt zum nächsten Sprung an

Heute wird in der Dominikanischen Republik ein neuer Präsident gewählt. Besten Chancen auf einen Sieg hat Amtsinhaber Leonel Fernández. Trotz eines rasanten Wirtschaftswachstums lebt ein Viertel der Bevölkerung in Armut

SANTO DOMINGO taz ■ Der dominikanische Präsident Leonel Fernández lässt sich gerne als Messias der Modernität feiern. Am Freitag stellt sich der Chef der Partei der Dominikanischen Befreiung (PLD) zum dritten Mal zur Wahl. Laut Umfragen wird er auch diesmal bereits im ersten Urnengang die absolute Mehrheit der Stimmern der 5,3 Millionen Wahlberechtigten auf sich vereinigen können.

Als der in den USA aufgewachsene Jurist nach seiner ersten Amtszeit im Jahr 2000 wegen eines gesetzlichen unmittelbaren Wiederwahlverbots abtreten musste, hinterließ er ein „gut bestelltes, modernes Haus“. Hochstraßen, Tunnels und Wolkenkratzer waren während seiner Amtszeit in der Hauptstadt Santo Domingo gebaut worden, das Wirtschaftswachstum von über acht Prozent suchte in Lateinamerika damals seinesgleichen. Als der „Löwe“, wie ihn seine Anhänger nennen, 2004 wieder kandidierte, hatte er leichtes Spiel. Im ersten Wahlgang schaffte er die absolute Mehrheit. Sein Amtsvorgänger Hipólito Mejía von der sozialdemokratischen Revolutionären Dominikanischen Partei (PRD) hatte das Land mit Vetternwirtschaft und nach einem Bankencrash an den Rand des Bankrotts gebracht.

Dem Land versprach Fernández die Rückkehr zu finanzieller Stabilität und einen weiteren Sprung in die Moderne: die erste U-Bahn in der Karibik. Fernández hat Wort gehalten. Vor drei Monaten stand er im Führerhaus eines Zuges, der einen der populärsten Vororte der Drei-Millionen-Metropole mit der Innenstadt Santo Domingos verbindet.

8,5 Prozent Wirtschaftswachstum im Vorjahr, die modernsten Geländefahrzeuge und Dutzende neue Hochhäuser zeugen davon, dass die Wirtschaft brummt – nur in den Armenvierteln der Großstädte und in den ländlichen Regionen ist davon nichts zu merken. Ein Viertel der Bevölkerung lebt in Armut, rund die Hälfte hält sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser. „Das Geld für die Metro wäre besser in die Verbesserung der Wohn- und Lebenssituation der Menschen investiert worden“, kritisiert Scarlet von der Bäuerinnenorganisation Conamuca. In den bevölkerungsreichsten Stadtvierteln gibt es keine regelmäßige Wasserversorgung, in vielen Armenvierteln über Stunden keinen Strom. „So sieht die Moderne für uns aus“, sagt Scarlet.

Die Mitbewerber von Leonel Fernández versprechen, genau dort anzusetzen. Amable Aristy Castro von der rechtskonservativen Sozialchristlichen Reformpartei (PRSC) gibt sich als „Mann der Armen“ und verteilt 500- und 1.000-Peso-Scheine (etwa 10 und 20 Euro). Jüngsten Umfragen zufolge liegt er jedoch mit acht Prozent aussichtslos zurück. Dem Zweiplatzierten, Sozialdemokrat Miguel Vargas Maldonado, werden auch keine Chancen eingeräumt. Dem Bauunternehmer hängt nach, dass er ein Gefolgsmann des Expräsidenten Hipólito Mejía ist.

Mehr als 600.000 Menschen erhalten derzeit staatliche Beihilfen. In dieser Woche hat das Erziehungsministerium damit begonnen, zehntausende von Studenten mit einer Geldkarte in Höhe von monatlich zehn Euro auszustatten. Um keine weitere Unzufriedenheit aufkommen zu lassen, wurden für die Wahlwoche die Benzinpreise eingefroren. HANS-ULRICH DILLMANN