Staudammbau startet

Experten kritisieren, dass die geforderten Standards bei dem geplanten Ilisu-Staudamm nicht eingehalten werden

BERLIN taz ■ Die Türkei hat nach Angaben der österreichischen Organisation ECA Watch mit dem Bau des umstrittenen Ilisu-Staudamms begonnen. „Ein Kollege, der vor Ort ist, bestätigte, dass es Bauarbeiten gibt“, sagte Thomas Wenidoppler von ECA Watch der taz. Doch nach den Anforderungen der Weltbank müssten erst die Standards stimmen, und dann könne der Bau beginnen, so Wenidoppler.

Das Staudammprojekt war im Februar zum wiederholten Mal in die Kritik geraten, als eine unabhängige Expertenkomission feststellte, dass ein Großteil der Auflagen für die Umsiedlung der Anwohner nicht eingehalten wurde. Alleine von den 35 Auflagen für die Umsiedlung seien 26 nicht erfüllt worden, bei weiteren 4 hätten die Informationen für eine Überprüfung gefehlt. Vor allem kritisierten die Experten, dass die türkischen Behörden bereits mit dem Enteignungsverfahren begonnen hatten.

Der Ilisu-Staudamm am Tigris im Südosten des Landes steht schon seit seiner Planung in den 1980er-Jahren in der Kritik: Für seinen Bau müssten rund 50.000 Menschen umgesiedelt werden, und auch die historische Stadt Hasankeyf würde überflutet.

300 Quadratkilometer soll der Stausee am Ende messen. Umweltschützer befürchten, dass zahlreiche Tier- und Pflanzenarten der Region bedroht wären. Auch der angrenzende Irak hat seine Bedenken: So befürchtet der dortige Wasserminister Latif Rashid eine Verknappung des Wassers für sein Land.

Die Bundesregierung hatte im März vergangenen Jahres eine Hermesbürgschaft für das von deutscher Seite aus beteiligte Unternehmen Züblin AG genehmigt. Diese Bürgschaft steht mit dem Gutachten der Expertenkomission nun erneut zur Debatte: Zusammen mit den Exportkredit-Agenturen aus Österreich und der Schweiz beriet die deutsche Agentur Euler-Hermes diese Woche in Wien über das weitere Vorgehen. Dabei floss auch ein Bericht der Türkei ein, der darlegen soll, wie die Türkei die Auflagen der europäischen Vertragspartner erfüllen will.

Ursprünglich sollte das Ergebnis der Beratungen am Donnerstag bekannt gegeben werden, nun wollen die beteiligten Exportkredit-Agenturen bis Ende Mai überlegen. Eine Sprecherin von Euler-Hermes wollte sich am Donnerstag noch nicht zu dem Verlauf der Beratungen äußern.

Für die Türkei ist der 1,2 Milliarden Euro teure Ilisu-Staudamm Teil eines größeren Vorhabens: Das Südostanatolien-Projekt sieht insgesamt 22 Staudämme und 19 Kraftwerke vor – knapp die Hälfte davon ist bereits realisiert. Die türkische Regierung setzt damit auf Wasserkraft zur Stromerzeugung. Allein das Kraftwerk am Ilisu-Staudamm soll jährlich 3.800 Gigawattstunden Strom produzieren.

SVENJA BERGT