„Sigmar muss springen“

Der Zank in der Niedersachsen-SPD ebbt nicht ab: Bundesumweltminister Gabriel lehnt eine Reform der Partei rigoros ab - und beschädigt damit seinen einstigen Ziehsohn, Parteichef Garrelt Duin

„Jetzt“, munkelt es aus der Kommission, „muss Gabriel zeigen, ob er einen Papiertiger als Landesvorsitzenden will.“

VON KAI SCHÖNEBERG

Gibt es noch eine niedersächsische SPD? Viele Parteigranden zweifeln da: Zu debakulös das Bild, das die einst stolze Sozialdemokratie zwischen Ems uns Elbe derzeit abgibt. Nun haben die Sozen nach dem Wahldesaster eine weitere Feuertaufe zu bestehen: Garrelt versus Gabriel, Landes-Parteichef Duin gegen den Bundesumweltminister und Bezirkschef aus Braunschweig, lautet die neue Kampfformation in der von Pleiten und Rankünen geplagten Niedersachsen-SPD. Die von Duin eingesetzte Zukunftskommission, intern „ZK“ genannt, hat sich am Donnerstag Abend auf eine Totalreform der Parteistruktur geeinigt, Gabriel ist dagegen: „Sigmar muss springen, sonst steht er als Bremser da“, heißt es aus dem ZK.

Nicht so einfach. Noch zockt Gabriel – und demontiert damit genüsslich seinen einstigen Ziehsohn Garrelt Duin, der sich die ZK-Beschlüsse zu eigen machen will. Gestern lehnte der 2003 abgewählte niedersächsische Ministerpräsident die von dem Gremium favorisierte Abschaffung der vier seit Ewigkeiten im Streit vereinten SPD-Landesbezirke erneut ab: “Zentralismus schafft keine Wahlerfolge“, sagte Gabriel in Hannover. Durch eine Schwächung der Bezirke verliere die SPD im Flächenland Niedersachsen den Kontakt zur Basis.

Das ZK hatte sich zwar zuvor einstimmig auf die Bildung von SPD-Regionen bis zum Jahr 2010 verständigt, der Vorstand soll am kommenden Freitag und ein Parteitag einen Monat später über die Stärkung der Landespartei abstimmen. Bloß: Wie stark soll die sein? Krach gab es in dem fünfköpfigen Gremium unter der Leitung von Ex-Bildungsministerin Edelgard Buhlmahn also über die Auflösung der mächtigen SPD-Bezirke.

Noch ist Landesverbandschef Duin wie ein König ohne Macht. Dem Bundestagsabgeordneten und Chef des SPD-Bezirks Weser-Ems sind in der Parteizentrale in Hannover 2,5 Stellen zugeordnet, die Chefs der Bezirkssprengel Braunschweig, Weser-Ems, Hannover und Nord-Niedersachsen verfügen über zusammen fast 70 Mitarbeiter. Laut ZK sollen sie die Personal- und Finanzhoheit abgeben, außerdem nicht mehr über die Listen für Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen bestimmen. Postenverteilung ist Macht.

„Ist doch absurd: Während die riesige NRW-SPD in den Berliner Gremien mit einer Stimme vertreten ist, tanzen wir mit vier Bezirksfürsten an“, heißt es aus der Kommission. Das soll sich ändern. Die Regionen dagegen sollen künftig die Partei in der Fläche verankern: Gedacht ist an acht bis 12 landsmannschaftliche Gebilde, etwa Lüneburger Heide, Ostfriesland oder Harz. Möglicher Kompromiss: Der recht wohlhabende Bezirk Braunschweig bleibt bestehen.

Auffallend: SPD- Bezirkschef Wolfgang Jüttner, der außerdem die Fraktion leitet, unterstützt Duin. Dagegen bröselt mit Gabriels Feuer auf die Kommission die uralte Achse Weser-Ems und Braunschweig weiter. Hatten sie früher vereint gegen das mächtige Hannover gestänkert, registrierten Sozialdemokraten schon verdattert veränderte Fronten bei der immer noch schwelenden Affäre um die SPD-Aufsteigerin Swantje Hartmann. Während Duin die 35-Jährige zum Rücktritt von ihren Parteiämtern aufforderte, weil er nicht ausschloss, dass sie von veruntreuten Parteigeldern ihres einstigen Lebensgefährten profitiert haben könnte, hatte Gabriel Hartmann zunächst zum Bleiben aufgefordert haben. Letztlich setzte sich Duin durch. Neue Machtprobe: die Parteireform. „Jetzt“, munkelt es aus der Kommission, „muss Gabriel zeigen, ob er einen Papiertiger als Landesvorsitzenden will.“

Kann sich Duin bei der Reform nicht durchsetzen, wäre das Scheitern eines weiteren Spitzen-Sozis in Niedersachsen programmiert. Noch gilt der 40-Jährige als Favorit für die Spitzenkandidatur für die Wahl 2013.