Nicolas Kiefer, beim Publikum Angekommener
: Wandlung eines Muffels

Nicolas Kiefer ist der zweite erfolgreiche Sportler in Deutschland, der seinen Spitznamen einem in Neuseeland beheimateten, flugunfähigen Vogel verdankt. Während der freundliche Gottesmann Wynton „Kiwi“ Rufer aber als Sympathieträger für Werder Bremen auf Torejagd ging, galt der Tennisprofi aus Hannover lange als arroganter Schnösel. Das hatte nicht nur mit dem Image des weißen Sports zu tun, sondern auch mit seiner verbissenen Art. „Er ist ein unverdienter Halbfinalist, übellaunig, schlecht erzogen und unflätig“, schrieb eine australische Zeitung nach Kiefers größtem Erfolg bei den Australian Open 2006.

Aber auch Spieler mit besseren Manieren haben es in der Nach-Becker-Generation schwer. Der verletzte Thomas Haas ist von der Heldenverehrung des Rotschopfes aus Leimen genauso weit entfernt wie Rainer Schüttler und Philipp Kohlschreiber. Umso erstaunlicher, dass der „Pitbull“ – wie Kiefer sich selbst nennt – in den vergangenen Wochen gleich zweimal den Platz zum Kochen brachte wie Boris Becker zu seinen besten Zeiten.

Beim Davis Cup gegen Spanien lag das deutsche Team in Bremen aussichtslos 0 : 4 hinten, da brüllten sein Kumpel Per Mertesacker und 5.000 weitere Fans den 30-Jährigen zum Ehrenpunkt gegen Feliciano Lopez. Und beim gerade zu Ende gegangenen ATP-Turnier in Hamburg kämpfte er sich bei seiner unglücklichen Viertelfinal-Niederlage gegen den Italiener Andrea Seppi endgültig in die „Herzen der Fans“, so die Kommentatoren einhellig.

Stirnband, Dreitagebart, Gefühlsausbrüche und Flirts mit dem Publikum – „Kiwi“ wird seinem Freund Andre Agassi immer ähnlicher. Der Wandel vollzog sich in der langen Verletzungspause von Mai 2006 bis Juni 2007: „Ich habe in dieser Zeit gemerkt, dass es auch anderes im Leben gibt als Tennis, mein Körper konnte sich richtig erholen, und ich bin wieder mit meiner Freundin Inga zusammengekommen“, erklärt Kiefer die Wandlung zum Publikumsliebling. „Es war ein gutes Jahr.“ RLO

Fotohinweis:NICOLAS KIEFER, 30, gilt als begeisterter Anhänger von Hannover 96 sowie der Hannover Scorpions. FOTO: DPA