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: Wunderbare Welt der Dummen und Dilettanten

Alle Jahre wieder werden schlimmste Befürchtungen bestätigt – macht aber nichts

Alle Jahre wieder oder auch öfter veranstalten Grundschulen Feste. Dann kommen Eltern und Großeltern und weiterer Anhang und sehen sich an, wie die Steppke unter Anleitung dünner Grundschullehrerinnen in wallender Kleidung auf lustig bunt geschmückten Bühnen vorführen, was sie vorher in vielen Schulstunden geübt haben. Unter den Eltern und Großeltern und weiterem Anhang herrscht Nervosität, man weiß ja nicht, ob und wie alles klappen wird. Insgesamt und ganz besonders beim eigenen Nachwuchs. Und dann gibt es auch noch ein paar Neue in der Klasse – erst mal sehen, ob die sich gut einfügen.

Da müssen nun alle Jahre wieder alle durch. Und alle Jahre wieder werden schlimmste Befürchtungen dann auch durch erbarmungswürdige Aussetzer bestätigt. Nach schwungvollen ersten zwei Gedichtzeilen stockt die ganze Kinderschar bei Zeile drei – kollektiver Blackout; beim Singspiel ist zwar die eine Hälfte der Klasse text- und taktsicher, die andere aber trifft nie ihren Einsatz und merkt es nicht einmal; beim Balanceakt über den Schwebebalken haben alle Zuschauer noch Mitleid mit dem ersten Kind, das nach fünf Schritten abstürzt, aber bald stellt sich heraus: Das war das mit Abstand talentierteste Kind, die anderen schaffen nur zwei Schritte. Eigentlich sollten sie am Ende durch einen Reifen hopsen. Davon ist natürlich schnell nicht mehr die Rede. Gott, es sind Kinder, sie mühen sich, es geht halt nicht besser. Und man kann ja nicht einfach enttäuscht wegbleiben aus Protest gegen das schmerzende Niveau. Aber jetzt, wo die Knöpfe dastehen und stolz sind darauf, dass sie ihre Vorführung überstanden haben, ja, da klatschen die Eltern und Großeltern und weiterer Anhang dann doch. Und während sie klatschen, entwickeln sie auf einmal eine Begeisterung, die ihnen von Herzen echt vorkommt. So schlecht haben die Kleinen das auch wieder nicht gemacht, und sie waren eben sehr aufgeregt, und beim nächsten Schulfest wird es bestimmt schon viel besser klappen. Und wenn mal einer überfordert ist und eine Klasse zurückgestuft wird, das ist dann eben so, Lebbe geht weiter.

Ja. Lebbe … Es ist – wie Fußball. Und weil wir dumm und weichen Herzens sind als Fußballfans, hoffen wir trotzdem, dass die Aufführungen der Bundesligasaison 2008/2009 weniger Dilettantenzirkus werden als die der abgelaufenen Saison; dass es mehr zu feiern gibt als einen König von Bayern, der lieber noch als Fußball Streiche spielt und einen hüftsteifen Torjäger aus Italien; dass nicht sogar die Besten ein Fernglas brauchen, um die internationalen Spielfelder nicht gänzlich aus den Augen zu verlieren. Die Hoffnung ist mit den Dummen und den Hingebungsvollen. Nächste Aufführung der ersten Klasse: 15. August 2008.

KATRIN WEBER-KLÜVER