Kunstrundgang
: Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um

Diesmal also die Naturwissenschaftler unter den Künstlern. Olafur Eliasson spielt im Kindergarten der Abstraktion. Die bunten geometrischen Figuren, die 24 Scheinwerfer an die Wand bei neugerriemschneider projizieren, erinnern jedenfalls stupend an die „Spielgaben“ des Kindergartenerfinders Friedrich Fröbel (1782–1852). Er wollte mit einfachen abstrakten Formen wie Dreieck, Kreis, Quadrat etc. seine kleinen Zöglinge ermuntern, a) Formen der Natur und des Lebens, b) Formen des Wissens und der Mathematik sowie c) Formen der Schönheit und der Kunst zusammenzusetzen. Mit Eliassons „the inside of outside“ spielen auch wir dieses Spiel. Der Wechsel und das Erlöschen der Figuren soll im Gehirn des Betrachters Nachbilder erzeugen, die mit den Projektionen verschmelzen. Wie immer sie zustande kam – ich sehe den Nachbildeffekt nicht: eine orangefarbene Linie, die ein weißes Oval durchschneidet, ist meinerseits Liebe auf den ersten Blick.

Glücklicherweise begegnete ich dann dem Orange gleich wieder. Nun in Form eines riesigen Leuchtkastens, den Carsten Nicolai bei Eigen + Art aufgebaut hat, flankiert von vier Gemälden, die – einem Rothko ähnlichen – Gelb in Gelb fluten. Die Installation behandelt den aus der Astronomie bekannten Effekt, dass das Licht weit entfernter Galaxien zum Roten verschoben erscheint. Diese Rotverschiebung, also Verlängerung der gemessenen Wellenlänge gegenüber der ursprünglich emittierten Strahlung, erklärte der Astronom Fritz Zwicky 1929 mit der – inzwischen aufgegebenen – Hypothese des „tired light“, der Ermüdung des Lichts. Auch Carsten Nicolai spielt lieber im Kindergarten der Abstraktion als im Raum der theoretischen Physik. Es gehe „weniger“ um eine direkte Visualisierung, „keine“ wörtliche Auseinandersetzung, einen „eher“ ästhetischen Blick, sagt er. Kurz, auch hier ist einer fasziniert.

Bis 21. Juni, Olafur Eliasson „the inside of outside“, neugerriemschneider, Linienstr. 155, Di.–Sa. 11–18 Uhr; bis 26. Juni

Carsten Nicolai „Tired Light“, Eigen + Art, Auguststr. 26, Di.–Sa. 11–18 Uhr; bis 28. Juni