Doch keine Chlorhühner für Europa

Die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten lehnt die Aufhebung des Importverbots für Geflügel aus den USA ab. Kurz vor dem EU-USA-Gipfel im Juni wollte damit Industriekommissar Verheugen den Amerikanern entgegenkommen

BERLIN/BRÜSSEL taz ■ Da war Günter Verheugen wohl zu optimistisch: Vergangene Woche hatte der EU-Industriekommissar den US-Amerikanern in Aussicht gestellt, dass das Geflügelembargo bald fallen könnte. Seit 1997 dürfen keine Hühner aus den USA in Europa verkauft werden. Denn ihr Fleisch wird mit Chlor behandelt. Das tötet zwar gefährliche Keime ab – in der EU hält man davon aber wenig.

Das wird auch so bleiben, anders, als Verheugen dachte: Der Großteil der Landwirtschaftsminister – darunter jene Deutschlands, Österreichs und Frankreichs – sagen nämlich nein zu seinem Plan. „Die Amerikaner können machen, was sie wollen, aber man ist nicht verpflichtet, die gleichen Nahrungsmittelgewohnheiten anzunehmen“, erklärte der französische Landwirtschaftsminister Michel Barnier nach dem EU-Agrarministerrat in Brüssel. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit geht zwar mittlerweile davon aus, dass Menschen bedenkenlos Hühnchen essen können, auch wenn sie mit Chlor desinfiziert wurden. Restunsicherheit scheint aber unter den Politikern geblieben zu sein. Vom österreichischen Agrarminister Josef Pröll etwa hieß es, „eine chemische Dekontamination von Geflügelfleisch entspricht nicht den Erwartungen der Konsumenten“. Auch Gesundheitskommissarin Androulla Vassiliou meinte, würde das Embargo fallen, müsste ja den europäischen Produzenten ebenfalls erlaubt werden, mit Chlor zu desinfizieren. Und die europäische Geflügellobby dürfte ebenfalls ihren Teil dazu beigetragen haben, dass die US-Hühner bleiben, wo sie sind: nämlich in den USA.

Mit dem Vorstoß versuchte der Industriekommissar den USA entgegenzukommen: Im Juni wollen die USA und EU den weiteren Abbau von Handelshemmnissen beschließen. „Nun könnte die Bereitschaft der Amerikaner entsprechend reduziert sein, uns in dem einen oder anderen Punkt ein Zugeständnis zu machen“, meint Renate Ohr, Ökonomin an der Uni Göttingen. Der Streit ums Huhn werde den geplanten Ausbau der Handelsbeziehungen aber nicht zurückwerfen – und schon gar nicht zum Stillstand bringen.

CHRISTINE ZEINER