hamburger szene
: Dosenbier-Dialektik

Die Hip-Hop-Musik scheppert aus den viel zu kleinen Lautsprechern im hintersten Wagen der U-Bahn auf dem hintersten Vierer-Platz. Die vier pubertierenden Jungen schauen sich stolz an, nicken mit dem Kopf. Sie tragen Skater-Kleidung, die keine Risse haben und akkurat gegelte Haare. Sie wollen provozieren, wenigstens für einen kleinen Moment.

Es ist Mittag, fast alle Sitzplätze sind belegt. Einer reagiert sofort: „Macht eure Drecksmusik aus, ihr seid doch zu nichts zu gebrauchen“, poltert ein Mittvierziger los. Die Provokation funktioniert. Die vier Pennäler drehen ihre Handy-Lautsprechern noch weiter auf. „Lassen sie uns in Ruhe, Mann!“, sagt einer von ihnen schließlich. „Ihr nervt nur rum, haltet die Klappe!“, entgegnet der Mann. Er zieht ein Dosenbier aus der Tasche, öffnet es, trinkt und pöbelt weiter.

Vielleicht eine Minute geht es so hin und her. Die meisten Fahrgäste gucken besorgt, als ob sie an die Bilder aus der Münchner U-Bahn denken, an die Berichte über angeblich sofort zustechende Jugendliche, die auf dem Boden liegenden Rentner verprügeln. Eine Frau verbirgt ihr Gesicht hinter einer aufgeschlagenen Zeitung. Sie regt sich als erstes, sichtlich genervt. Höflich aber bestimmt weist sie darauf hin, dass die Musik wirklich störe und man auch anders mit Pubertierenden umgehen könne. „Sie waren doch auch mal jung, sie wissen doch wie das ist.“ Ihre Worte wirken: Die Musik ist aus, der Mittvierziger schweigt.

DANIEL KUMMETZ