Von der Schwierigkeit, Normales zu zeigen

Anlässlich des 60. Unabhängigkeitstages Israels zeigt das 3001-Kino bis einschließlich Sonntag sechs aktuelle israelische Spielfilme

Der Anspruch ist bescheiden formuliert: Einen kleinen Beitrag zu einer Vielzahl von Veranstaltungen zum 60. Unabhängigkeitstag Israels möchte die Hamburger Gruppe „Bad Weather“ mit ihren Israel-Filmtagen von heute bis zum Sonntag im 3001-Kino liefern. „Momente israelischer Realität und Normalität im Angesicht der verzerrten Darstellung in der deutschen Öffentlichkeit“ will sie vermitteln; dem Staat Israel zum Geburtstag gratulieren, ohne zu vergessen, dass man sich in Deutschland befindet. Jenem Land, „in dem auch 63 Jahre nach dem Ende des NS-Staates alte und neue Antisemiten sich beständig bemerkbar machen“. Kein leichtes Unterfangen. Denn Israel und der israelische Film, so die Veranstalter, seien so übersaturiert mit Geschichte, Politik und Realität, dass es nahezu unmöglich sei, Filme zu zeigen, die komplett von der bewegten politischen Geschichte des Landes oder der aktuellen Situation abstrahieren.

So ist es auch gleich zu Beginn des Eröffnungsfilms „Frozen Days“ – die Geschichte einer postadoleszenten Identitätssuche – ein Selbstmordanschlag, der den Plan zerstört, den Chatpartner aus dem Internet endlich kennen zu lernen. In einer Disko wollten die junge Meow und Alex, der Mann, den sie glaubt zu lieben, sich treffen. Sie überlebt den Anschlag, er aber wird schwer verletzt. Nachdem sie ihn im Hospital besucht hat, in dem er komplett einbandagiert im Koma liegt, beschließt die sonst auf den Straßen Tel Avivs mit dem Handverkauf von Drogen Beschäftigte, in dessen Wohnung einzuziehen. Sie kleidet sich als Mann, wird als Alex angesprochen. Ihre Vorstellung von Realität gerät langsam durcheinander. Welches Leben ist ihres, welches seins?

Die Suche nach Identität ist auch Thema in Avelet Menahemis Spielfilm „Noodle“. Hier gerät das wohl geordnete Leben der 37-jährigen, zweimal verwitweten Flugbegleiterin Miri aus den Fugen, als ihre chinesische Haushälterin abgeschoben wird und ihren sechsjährigen Sohn, der nur drei Worte Hebräisch spricht, ohne Pass in Tel Aviv zurücklässt. Miri beschließt, Leben und Job aufs Spiel zu setzen und den Jungen zu seiner Mutter nach China zu bringen.

Den Einfluss von Shoah und die Traumatisierung der zweiten Generation thematisiert die Gangsterkomödie „Made in Israel“. Darin beauftragt Danny Hoffman, israelischer Geschäftsmann und Sohn eines Überlebenden, zwei ungleiche Gangsterpaare damit, der israelischen Armee den letzten Nazi abzujagen. Egon Schultz, von Syrien an Israel ausgeliefert, soll der Prozess gemacht werden. Hoffman aber misstraut der israelischen Justiz und will seinem Vater einen Wunsch erfüllen und den Nazi eigenhändig erschießen.

Eine Spielfilmhandlung mit realem Hintergrund: Den ukrainischen KZ-Wächter John Demjanjuk musste ein israelisches Gericht 1993 aus Mangel an Beweisen freisprechen. Der schließlich trotz schlechten Wetters, israelischer Armee und mafiösen Geldeintreibern gekidnappte Nazi soll lebendig auf die Golan-Höhen gebracht werden, um dort von Hoffman persönlich erschossen zu werden. Doch dann kommt natürlich alles anders. Eine Krimigroteske und Zukunfts-Farce im Stile der Coen-Brüder, in der die Protagonisten inmitten paradoxer Verhältnisse tarantinoesk ständig mit Waffen hantieren; das Lieblingscomputerspiel von Hoffmans 13-jähriger Tochter: „Nazis abknallen“. Ein Film, der Regisseur Ari Folman, selbst Sohn zweier Shoah-Überlebender, in Israel massive Kritik einbrachte. GASTON KIRSCHE, ROBERT MATTHIES

Do, 22. 5., bis So, 25. 5, 3001, Schanzenstraße 75; Infos unter www.antifa-hamburg.de