Formeln sind leider nicht fotogen

In der Veranstaltungsreihe „Bilder.Zahlen“ werden Filme über die Mathematik gezeigt

Wer geht schon ins Kino um zu denken? Filme sind gut dazu geeignet, Gefühle in uns auszulösen, und wir wollen vor der Leinwand viel lieber etwas erleben als erkennen. Deshalb bietet es sich auch nicht etwa von selbst an, eine Reihe mit Filmen über die abstrakteste aller Wissenschaften zu machen, aber im Jahr der Mathematik zeigt das Kino 46 zusammen mit regionalen Kooperationspartnern wie dem artec-Forschungszentrum der Universität ein Programm, in dem bis zum Ende des Monats Beispiele dafür gezeigt werden, wie das Kino mit Zahlen umgeht.

Immerhin gibt es mit „A Beautiful Mind“ (der allerdings nicht gezeigt wird) einen oscar-prämierten Film über den Mathematiker und Nobelpreisträger John Forbes Nash Jr. mit einer animierten Sequenz, in der gezeigt wird, wie der von Russell Crow gespielte Wissenschaftler die Welt in Zahlen sieht, die sich zu Mustern und Gleichungen zusammenfügen. Dieser Effekt ist allerdings geklaut, denn der Dokumentarfilmer Errol Morris ließ schon zehn Jahre früher in „A Brief History of Time“ (der vom 30. 5. bis 1. 6. gezeigt wird) ganz ähnlich die Formeln des britischen Physikers Stephen Hawking um dessen Kopf herumtanzen. Dies ist wohl der ambitionierteste Versuch, höhere Mathematik in einem Film verständlich zu machen. Immerhin werden hier die Relativitätstheorie von Einstein und die Quantenmechanik so populär und einleuchtend erklärt, dass man als Laie zumindest eine Ahnung von der Komplexität dieser Arbeiten bekommen kann. Morris gelang hier wohl die bestmögliche filmische Vermittlung von Mathematik, und doch bleibt von seinem Film etwas anderes viel intensiver in Erinnerung, und dies ist das Porträt des fast völlig gelähmten Hawking, der nur über seinen Sprachcomputer mit der Welt kommunizieren kann. Im Kino ist letztlich dann doch der Mensch interessanter als seine Arbeit – egal wie genial diese auch sein mag.

Und so steht auch bei dem ab heute gezeigten „Pi“ nicht etwa die transzendente Ziffer im Mittelpunkt, sondern ein von Zahlen besessener junger Mann, der so etwas wie die Schöpfungsformel der Welt entdeckt, und gerade durch dieses rechnerisch allmächtige Ordnungsprinzip in ein reales Chaos gestürzt wird. Aber das war es dann auch schon mit Langfilmen, die direkt etwas mit der Mathematik zu tun haben. Der koreanische Spielfilm „I’m a Cyborg, but that’s OK“ wird in dieser Reihe zwar (vom 29. 5. bis 3. 6.) endlich in einem Bremer Kino zu sehen sein, aber viel mehr, als dass der weibliche Androide darin wie alle Computer nach dem binären Code rechnet, hat er mit dem eigentlichen Thema nicht zu tun. Peter Greenaways „Drowning by Numbers“ (25. 5. & 27. 5.) passt dagegen schon allein wegen seines Titels in die Reihe. Zudem ist in ihm das wohl opulenteste Zahlenspiel der Filmgeschichte verborgen, denn jede Einstellung ist von 1 bis 100 durchnummeriert, und einer der Reize des Films besteht darin, jeweils die Ziffer zu finden. Eine der wichtigsten Inspirationsquellen für dieses für Greenaway typische Stilmittel ist der Experimentalfilm „Zorn’s Lemma“ aus dem Jahr 1970, in dem der Avantgardist Hollis Frampton 60 Minuten lang Buchstaben und Bildsequenzen aneinander reiht, die sich ähneln, aber nie die Gleichen sind. Dieses Paradebeispiel eines strukturellen Films ist erstaunlicherweise nie langweilig und wird am Sonntagmorgen neben anderen Filmbeispielen in der Veranstaltung Open Cinema gezeigt, für die übrigens der Eintritt frei ist, was all jene freuen wird, die beim Kinobesuch mit ihrem Geld rechnen müssen.Wilfried Hippen