BERLINER PLATTEN
: Geht so. Geht so immer: Laut-Leise-Spiele mit kleinen fiesen Rückkopplungen oder Soul: 18th Dye geben die Gitarrenbreitseite und Jay Haze misst Letzteren an Techno ab

Man muss ja irgendwie ständig umgehen mit der Vergangenheit. Vor allem als Musiker. Vor allem, wenn man zweieinhalb Ewigkeiten weg war vom Fenster. Wenn man sich so unvermittelt verabschiedet hat wie 18th Dye vor 13 Jahren, ist es wahrscheinlich ganz geschickt, sich genauso plötzlich nun mit „Amorine Queen“ wieder zurückzumelden.

Damals waren 18th Dye hierzulande, während die Hamburger Schule regierte, eine Ausnahmeerscheinung, aber dafür bekannter im Ausland, in den USA und England vor allem, und wurden von Steve Albini produziert. Nach der Auflösung gingen zwei Drittel des deutsch-dänischen Trios, Gitarrist Sebastian Büttrich und Schlagzeuger Piet Breinholm, nach Kopenhagen und versuchten sich dort an elektronischer Musik, während Heike Rädeker zwar weiter Bass spielte bei Wuhling, aber ungleich erfolgreicher einen Laden aufbaute für skandinavische Möbel, die nicht von Ikea sind.

Nun sind sie also wieder da und, man darf das ausnahmsweise mal tatsächlich so sagen, ganz die Alten. Eher hat 18th Dye die digitale Demokratisierung hörbar gutgetan. Nun, da selbst die teuerste Studiotechnik erschwinglich geworden ist, klingen die demonstrativen Laut-Leise-Diskrepanzen, auf denen schon früher ihr Sound aufbaute, endlich so brillant, wie es der Band wahrscheinlich immer vorschwebte, verlieren sich die kleinen fiesen Rückkopplungen, die absichtsvollen Nebengeräusche, die liebevollen Details nicht im Soundmatsch der immer noch dominierenden Gitarrenbreitseiten, die fröhlich das Spektrum zwischen leichtem Sixties-Flirren und schwerem Metal-Donner abschreiten. Das Prinzip formulieren sie selbst mit einem Songtitel: „Soft The Hard Way“, und setzen es, das ist das Erstaunliche, nach der langen Pause zwar gereift, aber kein bisschen müde so um, dass es wieder halbwegs zeitgemäß klingt, wie sich die Gitarren verschwurbeln mit dem Bass, angetrieben vom Schlagzeug, um doch immer nur Wehmut auszudrücken.

Man muss ja irgendwie umgehen mit der Vergangenheit. Vor allem als Musiker. Vor allem, wenn man Musik macht, die sich so ausdrücklich bezieht auf alte Musik, wie Jay Haze. Auch auf „Love & Beyond“ arbeitet der in Berlin lebende Amerikaner sich mal wieder an seiner Lieblingslebensaufgabe ab. Wieder soll der Soul modernisiert werden und wieder ist Minimal Techno dazu das Mittel der Wahl. Nur dass sich im Gegensatz zu früheren Werken das Gewicht zusehends dem eigentlichen Handwerkszeug zuneigt. Immer seltener werden die atemraubenden Vokalexkursionen, stattdessen pluckert mancher Track ohne identifizierbaren Gesang dahin, versteckt sich Hazes Stimme als Rhythmus-sample. Der Soul wird, wenn man so will, seiner Seele entkleidet. Und wird so aufgebaut zum programmatischen Gegenmodell zu den die Charts verstopfenden Selbstentäußerungssimulationen des aktuellen R&B. Ob das allerdings wirklich modern ist, dazu ausgerechnet Minimal zu benutzen, den letzten Schrei von vorgestern zu bedienen, das sei mal dahingestellt. Man ist schneller Vergangenheit, als man denkt. THOMAS WINKLER

18th Dye: „Amorine Queen“ (Crunchy Frog/Cargo), Konzert Fr. im Lido

Jay Haze: „Love & Beyond“ (TuningSpork/Wordandsound), Record Release Sa. im Watergate