Postmortale Werte schaffen

Die Zahl der Stiftungen in Bremen steigt. Die meisten wirken im Verborgenen für das Gemeinwohl – oder für den Stifter. Längst nicht immer geht es nur um die Steuerersparnis

Stiftungen sind ihrem Zweck bis in alle Ewigkeit gewidmet. Denn der kann nur vom Stifter selbst zu seinen Lebzeiten geändert werden. Für Förderungen dürfen nur die Erträge des fest angelegten Vermögensstocks ausgegeben werden. Stiftungen werden von der Stiftungsbehörde des Landes, in Bremen ist das das Innenressort, anerkannt. Die hat dabei relativ großen Spielraum: Nur gemeinnützig, nicht sittenwidrig und über die Erträge des Stiftungskapitals finanzierbar, mehr müssen Stiftungen nicht sein. Gemeinnützige Stiftungen sind die häufigste Stiftungsart in Deutschland. Sie sind von Körperschafts- und Gewerbesteuer befreit. Die Gemeinnützigkeit bescheinigt die Finanzbehörde, befristet auf drei Jahre. 2007 gab es eine Reform des Gemeinnützigkeitsrecht, die das bürgerschaftliche Engagement stärken sollte. Seitdem können bei Stiftungsgründungen der Vermögensstock oder Sonderausgaben bis zu einem Gesamtbetrag von einer Millionen Euro steuerlich geltend gemacht werden. Auch Spenden an gemeinnützige Stiftungen können in einer Höhe von bis zu 20 Prozent der Gesamteinkünfte des Gebers von der Steuerschuld abgezogen werden. tha

von Teresa Havlicek

Mit 120 ist er gegen eine Betonwand geknallt. Als Polizist, während einer Einsatzfahrt. Zehn Jahre ist das her. Unter den Folgen leidet Thomas Folz heute noch. Vom Staat fühlte er sich nach seinem Unfall vernachlässigt. „Oft ist nach Dienstunfällen mehr nötig, als nur die medizinische Versorgung“, sagt er. Mit drei Kollegen gründete Folz 2003 deshalb die „Stiftung deutscher Polizeibeamter Bremen“, die sich um verletzte PolizistInnen und deren Angehörige kümmert.

„Wir wollen da zügiger und unbürokratischer rangehen“, beschreibt Folz das Ziel der Stiftung. Das Kapital von 25.000 Euro wurde größtenteils privat bereitgestellt. Nicht nur Projekte zur Kriminalprävention werden gefördert, sondern auch die Unterstützung von PolizistInnen durch Seminare zur Stressbewältigung. Das Stiftungshaus in der Sächsischen Schweiz wird verletzten KollegInnen und deren Angehörigen zur Erholung bereit gestellt. „Wir wollen völlig neutral sein und den Kollegen schnell helfen, ohne einem Dienstherren oder einem Gewerkschaftsvorsitzenden Rechenschaft ablegen zu müssen“, sagt Folz.

Stiftungen boomen in Deutschland. Das gilt auch für Bremen: 16 neue kamen allein vergangenes Jahr hinzu, 283 gibt es insgesamt. Das kleinste Bundesland liegt damit auf Platz neun beim Vergleich der 82 deutschen Großstädte, hinter Hamburg und Oldenburg, aber vor Göttingen und Braunschweig.

Nur wenige der Stiftungen treten hierzulande mit großzügigen Spenden öffentlich in Erscheinung. Eine davon ist die „Waldemar Koch Stiftung“. Die finanzierte dem „Überseemuseum“ gerade mit 400.000 Euro einen Übergang vom Hauptgebäude zum Museumsteil im „Übermaxx“. Die Mehrheit der Bremer Stiftungen wirkt verborgen im Kleinen. Und immer mehr BürgerInnen gründen wie Thomas Folz schon mit vergleichsweise geringen Summen Stiftungen.

Kein Steuersparmodell

Geht es dabei letztlich nicht immer darum, Steuern zu sparen? „Eher nicht“, sagt Karin Seele-Münscher, die beim Innenressort für die Anerkennung gemeinnütziger Stiftungen zuständig ist. „Das Vermögen gibt man ja weg, auch wenn ein Teil steuerlich geltend gemacht werden kann“.

Für Bernd Artin Wessels, den ehemaligen Vorstand des Fruchtimporteurs Atlanta und selbst Stifter eines nach ihm benannten Forschungspreises und einer Krebsstiftung, ist es eher „ein Bewusstsein für Gemeinnützigkeit, das bei den Menschen durchgeschlagen hat“. Die Bereitschaft, zu spenden und zu stiften sei auch eine Reaktion auf politische Entwicklungen. Vielen StifterInnen ginge es darum, „Dinge zu erhalten, die der Staat nicht mehr leisten kann“, glaubt Wessels. Ähnliches beobachtet auch Horst Baarß, der beim Bankhaus Neelmeyer Stiftungsgründungen betreut. „Besonders jüngere Leute sehen Eigeninitiative gefordert, wenn der Staat nicht mehr so viel trägt“, sagt er. Im Bereich Bildung und Wissenschaft zeige sich dies „ganz klar“. Hier tragen zahlreiche Bremer Stiftungen zur Finanzierung von Forschungen bei oder fördern Studierende durch Stipendien.

Die Carl Büttner Reederei beispielsweise finanziert über ihre Stiftung seit dem Sommersemester 2007 einem Nautik-Studierenden der Hochschule Bremen einen Teil des Lebensunterhalts.

Goldfische als Kulturwert

Die Zwecke, die StifterInnen für förderungswürdig halten, fallen dabei äußerst unterschiedlich aus. Die „Petra und Joachim Schaffer Stiftung“ etwa hat es sich zum Zweck gemacht, im so genannten „Taxi-Brunnen“ auf dem Liebfrauenkirchhof Goldfische wiedereinzusetzen. Als „Maßnahme zur Erhaltung von Kulturwerten und der Denkmalpflege“. Ein schwieriges Unterfangen: Wo es einst Brauch war, Münzen ins Wasser zu werfen, um einen Wunsch erfüllt zu bekommen, schütten heute die Marktleute ihr Blumenwasser weg. Inklusive Chemikalien. Goldfische hätten im „Taxi-Brunnen“ also eine eher geringe Lebenserwartung.

Klassiker unter den Stiftungszwecken sind die Förderung der Altenhilfe, von Jugend- und Bildungseinrichtungen oder Sportvereinen. Andere wiederum versuchen, durch eine Stiftungsgründung Aufmerksamkeit auf Randthemen zu lenken. „Uns geht es um eine nachhaltige Öko-Landwirtschaft und die Aufklärung von Verbrauchern“, sagt Thomas Warnken von der „VerbraucherAn-Stiftung“.

„Wir haben nichts Soziales oder Kulturelles zum Zweck, damit sind wir erst etwas aus dem Schema gefallen“. 40.000 Euro Kapital brachten die Initiatoren der „Bremer Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft“ und der „Verein Sozialökologie“ zur Gründung auf. „Wir wollten das Thema Verbraucheraufklärung auch als kleine, eigene Stiftung angehen. Uns ist es wichtig, interessante Projekte zu fördern, zumindest anteilig“, so Warnken. Das sind für die „VerbraucherAn-Stiftung“ beispielsweise die „Aktionstage Ökolandbau“ oder der „Slow Food“-Stand auf der Verbrauchermesse „HanseLife“.

Wirtschaftliches Kalkül

Wesentlich pragmatischer geht die Handelskammer an das Thema heran. „Stiftungen werden auch mit wirtschaftlichem Kalkül betrieben“, sagt deren Sprecher Stefan Offenhäuser. UnternehmerInnen könnten mit einer Stiftungsgründung Gutes für ihren Standort tun und bestimmte Wertvorstellungen über ihren Tod hinaus festschreiben. „Es findet ein Abschied von dem Gedanken statt, man solle über soziales Engagement nicht sprechen“, sagt Offenhäuser. Profitieren könnten vom bürgerschaftlichen Engagement schließlich sowohl die Unternehmen, die ihren Namen in ein gutes Licht rücken, als auch die Allgemeinheit, der die Förderungen zu Gute komme. Einige Firmen setzten ihr soziales Engagement bereits gezielt ein, um sich von der Konkurrenz abzusetzen. In Bremen sei dieser Gedanke jedoch „noch Zukunftsmusik“, so Offenhäuser. „Hier rückt man hanseatisch zurückhaltend nur langsam aus der stillen Ecke des heimlichen Förderers“, sagt er.