Grace Jones

The penis envy thing

Neulich vorm Scala fiel ihm eine kleine Szene bei, die sich dereinst in Conny Oppers vormaliger Rammelbude, dem RIO in der Chausseestraße, ereignet hatte, damals im Sommer 2003 oder 2004. Wie üblich hatten sie in der Schlange für die Gästeliste gestanden und das Privileg ausgekostet, anstelle einer vollen bloß eine halbe Stunde warten zu müssen, da geschah es, dass Grace Jones den Hinterhof betrat. „I am very superficial, I hate everything official“, sprach sie wohl beiläufig, während sie, groß, stark, schwarz, an ihnen vorüberschritt. Seinem DJ-Freund Alan fiel die Kinnlade runter. Sofort fühlte er sich an seine Zeit im Studio 54 erinnert, als Grace im Bauhaus-Fummel zu seiner Musik getanzt gehabt hatte, NY 1985.

Als der Doorman Grace gewissermaßen mit dem Arsch anguckte und auf stur machte (oder kannte er ihr Gesicht wirklich nicht?), trat Alan in Aktion. Als Kugelblitz schoss er nach vorn und brüllte, die Lady sei mit ihm da und der Türgorilla solle gefälligst den Conny holen, um das Missverständnis aufzuklären, und die Dame nicht länger belästigen. Sie sei gewiss nicht gekommen, um sich die Beine im Kassenzelt in den Bauch zu stehen.

„What a nightmare!“, hörte man Grace fauchen, da erschien der Conny. Alan machte einen Versuch, ihm die Situation auseinanderzusetzen, aber der Conny sah ihn gar nicht. „The penis envy thing, hon?“, fragte er nur. „You bet“, grunzte Grace, hakte sich bei ihm unter, und beide verschwanden im VIP-Room. Später, als der Beat die Bauchdecken massierte und der Schweiß von den Wänden troff, stand Alan in der tobenden Menge. „I need a maaan“, sang er leise lächelnd immer wieder vor sich hin. Irgendwas von Grace Jones, einem Star aus den fernen Achtzigern.

SASCHA JOSUWEIT